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Da muss man durch

Titel: Da muss man durch
Autoren: Hans Rath
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erstaunt.
    «Ich heiße Paul Schuberth. Ihre Familie möchte mich kennenlernen, weil ich in Zukunft den Verlag leiten soll. Deshalb fliege
     ich nach Mallorca. Und deshalb hab ich auch diese Fotos dabei. Damit ich ungefähr weiß, mit wem ich es dort zu tun haben
     werde.»
    Audreys Gesicht hellte sich auf. Sie blätterte kurz durch die Mappe, dann sah sie mich an und lachte. «Sie sind also Paul
     Schuberth.» Sie musterte mich. «Hab schon einiges von Ihnen gehört. Sie werden mit Spannung erwartet. Ihretwegen hat Lissy
     uns alle auf die Insel zitiert.»
    |13| Ich überlegte, ob ich den Namen Lissy schon mal gehört hatte.
    Audrey erriet meine Frage, blätterte in der Mappe, zog ein Foto hervor und reichte es mir. «Elisabeth von Beuten. Meine
     Großmutter.»
    Das Foto zeigte eine alte Dame, die in einem stahlblauen Kleid auf einem roten Samtsessel thronte. Zuerst dachte ich, Audreys
     Großmutter hätte sich einen Spaß daraus gemacht, im Stil der englischen Königin zu posieren. Dann wurde mir mit leichtem
     Unbehagen klar, dass die stahlblaue Patriarchin nicht einmal ansatzweise so etwas wie Spaß ausstrahlte, wohl aber ein ungewöhnlich
     stark ausgeprägtes Machtbewusstsein.
    Audrey riss mich aus meinen Gedanken, sie war immer noch mit der Mappe beschäftigt. «Was steht denn hier eigentlich so über
     mich drin?»
    «Keine Ahnung», erwiderte ich. «Ich hab gerade erst angefangen zu lesen.»
    «Verstehe», sagte sie und warf mir einen provozierenden Blick zu. «Und da haben Sie sich gleich mal in meine Schwester verguckt,
     was?»
    Ich zuckte merklich zusammen, was glücklicherweise nicht auffiel, weil in diesem Moment ein leichter Ruck durch die Maschine
     ging. Audrey ahnte nicht, wie sehr sie den Nagel auf den Kopf getroffen hatte.
    Um Zeit zu gewinnen, lächelte ich. Hatte Iris ihrer Familie gegenüber erwähnt, dass wir uns kannten? Oder würde sie mich
     bei unserem Wiedersehen wie einen Fremden behandeln? Ich beschloss, mich ins Ungewisse zu retten: «Ich dachte, ich würde
     sie irgendwoher kennen.»
    Audrey nickte, aber ich war nicht sicher, ob die Antwort sie wirklich zufriedenstellte. Glücklicherweise mischte |14| sich in diesem Moment Henning in unser Gespräch, indem er nach meiner Hand griff und sie fest umklammert hielt. «Flugangst»,
     nuschelte er entschuldigend. «Wird gleich besser.»
    Ich blickte zu Audrey, die mitfühlend nickte und mir bedeutete, dass wir unter diesen Umständen wohl besser schweigen sollten,
     bis Henning sich ein wenig beruhigt hätte.
    Ich lehnte mich also zurück und schloss die Augen. Da saß ich nun, Paul Schuberth, designierter Vorstandsvorsitzender der
     Beuten Medien GmbH, Hand in Hand mit einem deutsch-mallorquinischen Bio-Imker.
     
    Am Flughafen wartet Ursula auf uns. Sie begrüßt Audrey überschwänglich. Ursula und ihr Mann Josef kümmern sich schon seit
     vielen Jahren um das Anwesen der Familie von Beuten. Zuvor hatte das Paar einen Strand-Imbiss betrieben, aber die Kunden
     waren für deftige Suppen bei vierzig Grad im Schatten leider nicht zu begeistern gewesen. Im Hause von Beuten ist Ursula für
     die organisatorischen Abläufe zuständig, während Josef handwerkliche Arbeiten erledigt und die Außenanlagen in Schuss hält.
    All das erfahre ich binnen knapp zwei Minuten.
    Ursula ist eine rundliche Blondine Anfang fünfzig mit hochtoupierten Haaren. Unter ihrem gelben Top zeichnet sich ein bis
     zum Zerreißen gespannter Büstenhalter ab. Ich hoffe, er ist seiner Aufgabe gewachsen, denn sollte er explodieren, werden
     die umherfliegenden Haken und Ösen eine Menge Menschenleben kosten.
    «Du kannst Uschi zu mir sagen», verkündet Ursula in breitestem rheinischen Dialekt und schüttelt mir ausgiebig die Hand.
    |15| «Freut mich, ich bin Paul», erwidere ich und befürchte, es klingt freudlos.
    «Fein, dann wollen wir mal», frohlockt Uschi und öffnet die Tür eines monströsen Geländewagens. «Immer rein in die gute
     Stube.»
    Henning, der bislang etwas abseits stand, kommt näher. Er ist immer noch blass um die Nase und etwas wackelig auf den Beinen.
    «Das ist Henning», erklärt Audrey. «Seine Frau wollte ihn abholen, aber es scheint was dazwischengekommen zu sein.»
    «Wo musser denn hin?», fragt Uschi und öffnet den Kofferraum, um unser Gepäck zu verstauen.
    «Can Negte. Das ist in der Nähe von   …»
    «Inca. Ich weiß», unterbricht Uschi und nickt freundlich. «Liegt ja sowieso auf’m Weg. Und je mehr Leute wir sind, desto
    
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