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Cyrion

Cyrion

Titel: Cyrion
Autoren: Tanith Lee
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bevor er das Spiel wiederaufnimmt. Aber nicht für lange, vermute ich. Er will, daß ich ihn morgen in seinem - Spielzeugladen besuche. Und um Vergebung und - und Gnade flehe.«
    Diesmal war die leichte Unsicherheit in seiner Stimme das einzige Anzeichen für den Schmerz, den er empfand.
    »Wie kann ich dir helfen?« weinte Mareme.
    »Auf die übliche Art wohl nicht«, murmelte er. »Nimm die Leier und spiele mir etwas vor. Sagt man doch, daß Musik jeden Schmerz lindern kann. Laß uns versuchen, ob es stimmt.«
    Längs der drei weißen Mauern, nach denen die Straße benannt war, verbreiteten Feigen-, Palm- und Blütenbäume Duft und friedvollen Schatten. In der Mittagshitze lag die Straße menschenleer und unschuldig, und auf halbem Wege, zwischen den Höfen der Goldarbeiter und der Seidenhändler, gähnte der Eingang zu Hasmuns Apotheke.
    Die Tür stand offen. Ketten aus blauen Keramikperlen hingen über dem Eingang. Im Inneren wallten Weinrauchschwaden aus einer Dunkelheit, die selbst am hellen Tag nicht weichen wollte.
    Als der Perlenvorhang klapperte und eine Gestalt von der sonnenüberfluteten Straße hereintrat, stürmten zwei von Hasmuns Schlägern aus dem Hintergrund, um nach dem Rechten zu sehen.
    »Sachte, meine Engelchen«, sagte eine freundliche, wohlklingende Stimme. »Ich bin gekommen, um eures Meisters Eitelkeit zu befriedigen. Pfuscht ihm nicht ins Handwerk, oder er wird für euch auch Püppchen machen.«
    Knurrend zogen sich die Leibwächter zurück, und Cyrion schritt tiefer in den Laden hinein.
    In der Dunkelheit waren die schwarzen Krüge auf den Regalen, die schwarzen Kästen und die bleigrauen Flaschen kaum auszumachen. Eine staubige Kobra, so ausgestopft und hergerichtet, als wolle sie gleich zustoßen, versperrte den Weg durch einen Vorhang aus Löwenfell. Dahinter befand sich eine Zelle, die ähnlich eingerichtet, aber von dem rötlichen Schein einer Hängelampe erhellt war.
    Im Lichtkreis der Lampe saß Hasmun auf einem Ebenholzstuhl. Auf dem Lacktischchen an seiner Seite lag Cyrion en miniature, nackt, blond, mit einer rubinrot funkelnde Nadel in seinem rechten Fußgelenk und einer im linken Ohrläppchen.
    »Nicht vorne im Laden zur Schau gestellt, wie man mir erzählt hatte«, bemerkte Cyrion sanft. »Ich hatte gehofft, im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses zu stehen.«
    »Das kommt später«, erwiderte Hasmun, ebenso sanft. »Hattest du eine gute Nacht?«
    »Ich hatte einige Male mit den Wüstennomaden zu tun. Sie lehren eine Methode, mit der man Schmerz in vollkommenen Genuß verwandeln kann.«
    Hasmun, unbeeindruckt, ging auf das Spiel ein.
    »Es freut mich, daß du es genossen hast. Diese Nacht dürfte noch genußvoller werden. Der Unterkiefer - dafür nehme ich eine Topasnadel. Handgelenke und Schienbein - Saphir. Die Diamanten habe ich für die Augen vorgesehen, mein schöner Freund. Aber das kann noch warten. Wie auch der Tod. Dies ist ein langes Spiel. Genieße es, mein Lieber.«
    Cyrion hatte sich vorgeneigt, um die Puppe zu betrachten. Er schien die Ähnlichkeit bewunderungswürdig zu finden, obwohl auf den ersten Blick zu erkennen war, daß es sich nicht um ein exaktes Ebenbild Cyrions handelte. Ohne den Zauber verursachten die Nadeln keinen Schmerz, selbst dann nicht, als er sie in dem leicht getönten wächsernen Fleisch drehte.
    »Natürlich«, meinte Cyrion, »könnte ich die Puppe stehlen. Oder dich töten.«
    »Versuche es«, bat Hasmun, der Magier. »Es wäre mir ein Vergnügen. Bitte.«
    Cyrion hatte die vier Kerle, die im Verkaufsraum vor dem Löwenfell herumlungerten und es dabei in leichte Bewegung versetzten, längst bemerkt. Auch das einzige Fenster zwischen den Wandregalen hatte er gesehen, das gerade breit genug war für eine Männerhand, aber nicht mehr. Was Hasmun betraf, so tanzten magische Funken an seinen Fingerspitzen.
    »Versuche es«, sagte Hasmun nochmals gewinnend. »Es wird dir eine Menge Unannehmlichkeiten eintragen, wenn auch nicht so viele wie diese hübschen Nadeln, deren Schmerz du in Lust verwandeln kannst.«
    Cyrion ließ die Puppe los. Sein Gesicht war ausdruckslos.
    »Und wenn ich um Gnade flehte?«
    »Auch das wäre einen Versuch wert.«
    Cyrion drehte sich um und schlug das Löwenfell beiseite. Die Schlager, die auf ein bißchen Unterhaltung aus waren, als sie ihn überhöflich zur Tür begleiteten, mußten feststellen, daß er irgendwie zu flink für sie war. Einer von ihnen, der von seinem Spießgesellen einen Tritt ins Schienbein
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