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Cyrion

Cyrion

Titel: Cyrion
Autoren: Tanith Lee
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der Schänke in Angst und Schrecken zu versetzen, und stürmten jetzt heran, wahrscheinlich mit einem Dankgebet an den Teufel im Herzen.
    Cyrion wartete gelassen, bis die beiden sich auf der Treppe befanden, und rollte ihnen dann den Weinkrug zwischen die Füße. Einer brüllte auf, verlor den Halt und polterte rücklings zwischen die duftenden Büsche. Der zweite fiel auf ein Knie, richtete sich auf und sprang mit gezogenem Schwert auf die Terrasse.
    Cyrion griff nicht nach seinem eigenen Schwert, das er an der Hüfte trug. Es schien, als habe er es vergessen. Er duckte sich unter dem ersten wuchtigen Schlag hinweg, vollführte eine lässige Drehung und trat dem Burschen in den Rücken. Der Mann brüllte, stolperte nach vorn und landete in der Weinpfütze, die sich auf dem Steinboden ausbreitete.
    Der andere Schläger hatte sich inzwischen aus den Büschen herausgearbeitet. Als er erneut die Treppe in Angriff nahm, wobei er sein blankes Schwert und seine stahlbewehrte Faust eindrucksvoll zur Schau stellte, kam der Wirt aus der Küche zum Vorschein, auf beiden Händen eine Platte mit brutzelnden Aalen. Cyrion machte auf dem Absatz kehrt, als ginge ihn die ganze Sache nichts an, griff sich die Platte mit den heißen Meerestieren und der siedenden Butter und schleuderte sie zielsicher über die Schulter in das Gesicht des Leibwächters. Fetttriefend und geblendet verließ der Bursche zum zweitenmal die Terrasse im Rückwärtsgang. Diesmal hatte sein Kopf einen lautstarken Zusammenstoß mit dem steinernen Rand eines Blumentopfes. Darauf trat allgemeine Stille ein.
    Cyrion glättete seine kostbaren Kleider mit der beringten Linken und der ungeschmückten rechten Hand. Für einen Mann, der mit Wein und Meeresfrüchten um sich geworfen hatte, wirkte er bemerkenswert sauber.
    Als könnte er sich mit seiner Niederlage nicht abfinden, versuchte der Schläger in der Weinpfütze einen mehr symbolischen Griff nach Cyrions Fußknöchel. Cyrion trat noch einmal zu, mitten in die geöffnete Hand hinein. Irgendwo knackte ein Knochen, ge folgt von einem dünnen Wimmern.
    Cyrion schenkte Hasmun einen Blick.
    »Viel Lärm, Meister Apotheker, um ein wenig vergossenen Wein.«
    Hasmun, naß und nach Wein duftend, hatte ausreichend Zeit gehabt, um Gefühl und Verstand wieder in Einklang zu bringen. Er richtete sich auf, und es zeigte sich, daß er in Größe und Statur Cyrion aufs Haar glich. Aber ihr Äußeres war so gegensätzlich wie Licht und Schatten.
    »Wähle«, sagte Hasmun zu dem Leibwächter mit dem gebrochenen Handgelenk. »Schweig oder stirb.« Das Wimmern verstummte. »Du allerdings«, fuhr Hasmun fort, »wirst in jedem Fall sterben.«
    »Wie die Priester sagen, ist das Leben nicht mehr als das süße kurze Flackern einer Kerze, ausgelöscht vor dem Dunkel der Ewigkeit«, erwiderte Cyrion philosophisch.
    »Du irrst dich«, sagte Hasmun. Obwohl ihm der Wein in die Augen tropfte, brachte er ein Lächeln zustande. »Dein Auslöschen wird lange dauern, und von Süße wirst du nichts merken. Heute nacht wird es beginnen. Wenn du mit eigenen Augen sehen möchtest, wie ich dich zerbrechen kann, dann komm in meine Apotheke. Deine Hure wird dir den Weg beschreiben können.«
    Und er nickte Mareme zu, die sich die gepuderten Händen vor das bemalte Gesicht hielt.
    Das grelle Tageslicht färbte sich rot. Die Sonne versank im Meer. Jebba wurde zu einer Stadt aus Bernstein am Ufer eines goldenen Ozeans. Dann wanderte die Dämmerung aus der Wüste über den Himmel und verdunkelte die Fenster von Maremes kostbar ausgestatteter Wohnung.
    Cyrion lag ausgestreckt auf dem seidenen Bett, als makelloses Modell für einen jungen Gott, nackt, wunderschön und leicht berauscht. Mareme saß neben ihm und zupfte unruhig an den seidenen Decken.
    »Hast du keine Angst?« platzte sie plötzlich heraus.
    »Oh, ich dachte, ich hätte dich Hasmun vergessen lassen.«
    Tatsächlich konnte er sie für eine Zeitlang alles vergessen lassen. Schon die Berührung seiner Hand auf ihrem Gesicht hatte die Macht dazu. Seit dem Augenblick, als sie ihn vor einem Jahr gesehen hatte, einem zufälligen Zusammentreffen, beherrschte er nicht nur ihr Herz, sondern auch ihren Verstand.
    Bei anderen war sie schlau und kaltblütig genug, hatte es immer sein müssen. Aber nicht bei Cyrion. Sein Geld hatte sie immer zurückgewiesen. Dafür sandte er ihr regelmäßig Geschenke. Seine Gewissenhaftigkeit ärgerte sie. Sie wollte von ihm geliebt, nicht bezahlt werden. Einmal,
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