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Cyrion

Cyrion

Titel: Cyrion
Autoren: Tanith Lee
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untergehenden Sonne überpuderte die Dächer und den Hof des Gartenhauses>Der Olivenbaum<. Eine rosenrote Katze spielte mit einem kleinen rosenroten Ball, in dem eine winzige Glocke klingelte und klapperte. Unter den dunkelroten Blättern der Ranken, die den Hof überschatteten, waren ein Mann und eine Frau in ein Gespräch vertieft. Ihr Haar erinnerte an golden glänzende Flammen, für den Sonnenglanz seines Haares gab es keine Worte.
    »Nein«, sagte sie. »Ich kann mich nicht länger von Träumen nähren. Du, wie alles andere, würdest verschwinden, sobald ich erwachte. Du bist nicht das, was ich brauche, Cyrion. Mein ganzes Leben bestand aus Unsicherheit, dem Zusammenbruch von Mauern und Hoffnungen. Ich will nicht lieben und dadurch verwundet werden. Ich möchte - brauche - endlich Sicherheit. Und er ist ein freundlicher Mann, mit vielen guten Eigenschaf t en, denen man nur Gelegenheit geben muß, sich zu entfalten.«
    »Und die Gelegenheit würdest du ihnen geben.«
    »Ich würde es versuchen. Jedenfalls würde ich nicht entwürdigen oder beschmutzen, was er mir geben kann. Für einen Hafen, mit Ankerplatz - für Frieden - könnte ich ihm eine Art Liebe entgegenbringen. In gewissem Sinne tue ich das schon seit vielen Jahren.«
    »Und wirst du damit zufrieden sein, Eliset, mein Herz?«
    »Ja. Während ich niemals zufrieden sein könnte, würde ich es mir gestatten, dich zu lieben. Was einfach ist, ist auch oft dumm. Es wäre dumm, dich zu lieben.«
    Cyrion betrachtete sie in dem verblassenden rosenroten Licht. Er antwortete nicht. Also sagte sie: »Denn du würdest mich verlassen, Cyrion. Götter und Engel sind für ihre Unbeständigkeit und Treuelosigkeit bekannt. Du würdest mich verlassen.«
    »Ja«, erwiderte er mit seltsamer und unveränderlicher Zärtlichkeit, »ich würde dich verlassen.«
    »Dann liegen unsere Wege deutlich vor uns. Und es sind nicht dieselben.«
    Bald darauf erlosch der letzte Lichtschimmer, und es blieb dem Blau des Abends überlassen, allen Dingen neue Farbe zu geben; blauer Himmel, blaue Blätter, blaue spielende Katze.
    Als Roilant in den Hof trat (zur gleichen Zeit, wie der erste Stern, wenn auch weniger schön), schaute er sich um und spürte nichts von der Ruhe und dem Frieden des Abends. Seine Gedanken waren bereits woanders. Da er eine Nachricht vorausgeschickt hatte, daß er herkommen würde, um Cyrion sein Geld zu übergeben, hatte er das Versprechen eingehalten, obwohl er keinen anderen Wunsch verspürte, als möglichst schnell zu seinen Besitzungen bei Heruzala zu reiten und sich gründlich zu betrinken. Denn Roilants Auserwählte hatte ihm einen Korb gegeben. Sie war reizend und taktvoll gewesen, aber eisern. Von allen Männern hätte sie ihn erwählt, wäre die Ehe das, was sie erstrebte. Aber sie wollte nicht heiraten. Sie war eine Gelehrte und glücklicher allein. Ihr niedergeschlagener Vater, der sich im Gang herum drückte, hatte Roilants Bestürzung noch vergrößert, indem er die Entscheidung seiner Tochter bejammerte. Offensichtlich wußte er auch nicht, wie man sie umstimmen konnte. Aber Roilant wollte sie auch nicht umstimmen müssen. Er hatte geglaubt, daß sie ihn wollte Jetzt, mit dieser Bürde zerbrochener Hoffnungen auf der Seele, dem Stempel endgültigen Versagens auf der Stirn, trat Roilant in den Hof der Schenke, hielt nach Cyrion Ausschau und konnte ihn nicht finden. Daraufhin machte er sich mit einem lauten, unanständigen und völlig uncharakteristischen Fluch Luft.
    Auf den er peinlicherweise eine Antwort erhielt.
    »Er wird inzwischen die Straße nach Jebba erreicht haben und kaum anhalten, um das zu tun.«
    Roilant verschluckte seinen nächsten Atemzug und hustete. Als der Anfall vorbei war, näherte er sich vorsichtig der dunklen Laube, aus der die. Stimme erklungen war.
    »Eliset?« fragte er ungläubig.
    Dann gingen in dem Haus hinter ihm plötzlich die Lichter an und ein warmer Goldschimmer strömte an ihm vorbei und vertrieb die Schatten. In ihrem Herzen saß, eingerahmt von Lampenlicht und Haaren so gelb wie Narzissen, der Traum seiner Kindheit und Jugend und lächelte.
    Und die eine, die er immer gewollt hatte und von der er all die Jahre durch Lügner und Betrug und Böswilligkeit, durch Narren und Gerüchte und Selbstbetrug ferngehalten worden war, antwortete: »Ja, mein Freund. Ich bin dir gefolgt.« Und streckte ihm die Hand entgegen.

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