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Cyrion

Cyrion

Titel: Cyrion
Autoren: Tanith Lee
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dieser Stunde ein.
    Und als Cyrion, ohne ein Geräusch zu verursachen, durch eine Lücke zwischen den Bäumen vor sie trat, machte sie keine Bewegung, weder auf ihn zu, noch von ihm weg oder sonst wie.
    »Ihr bietet«, sagte er leise, »einen sehr fesselnden Anblick. Es bedarf jetzt nur hoch eines heidnischen Gottes, der sich zu Euch gesellt, um das Bild vollkommen zu machen.«
    »Ein heidnischer Gott«, meinte sie nachdenklich. »Er hat sich bereits zu mir gesellt.«
    Er sagte: »Roilant ist nach Cassireia aufgebrochen.«
    »Ich weiß. Wie es scheint, muß ich jetzt doch Trauer vortäuschen. Mevary und Valia. Theater, sonst nichts. Ich traure nicht. Außerdem wird die ganze Angelegenheit vertuscht werden.«
    »Zweifellos. Selbst Harmul wurde bestochen und weggeschickt. Zimir und Dassin würde es genauso ergehen, wenn man sie finden könnte.«
    »Und so werde ich endlich frei sein, mein Leben allein zu leben - umgeben von Verfall. Ihr müßt wissen, ich war gezwungen, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen. Ich liebe Flor, aber Flor ist tot. Ich habe mich an einen Leichnam geklammert, in dem Glauben, daß ich ihn verlieren würde. Jetzt scheint es, daß ich dazu verdammt bin, ihn zu behalten. Ja, hier ist Schönheit. Und auch meine Vergangenheit. Vielleicht kann ich zufrieden sein. Aber auf diesem Boden haben zu viele Kämpfe stattgefunden. Alles, was ich an Schönem sehe, erinnert mich an etwas anderes, Bitteres.«
    Cyrion schwieg.
    »Ich kann mir vorstellen«, fuhr sie fort, »daß Ihr, Geschöpf der Tat, das Ihr seid, mich verachtet. Mein großer Fehler ist gewesen, daß ich mit Absicht vor allem, was hier vor sich ging, die Augen verschlossen habe. Es schien die einzige Möglichkeit, um überleben zu können. Mit allem einverstanden zu sein. Zu schmeicheln, zu loben, alles zu tun, was man mir befahl - sogar bei einem verbrecherischen Begräbnis zu helfen. Ach, mein blindes Vertrauen. Ich glaubte fest daran, daß der Alptraum vorübergehen würde, wenn ich ihn einfach nicht zur Kenntnis nahm. Jetzt ist er vorbei. Und jetzt ist mir - sehr wenig geblieben. Nun, ich werde hier umgehen. Mit den Geistern.«
    »An die Ihr glaubt?«
    »Ich glaube, daß es hier Geister gibt. Oh, nicht die, an die zu glauben ich vorgab. Das Getümmel hielt ich für Orgien, die Mevary und Jhanna - Valia - miteinander feierten. Ich fürchtete auch irgendwelche abscheulichen magischen Rituale und versteckte mich, natürlich. Als Ihr von den Träumen gesprochen habt, die Euch - die Roilant - veranlaßten, hier herzukommen.
    Ich fragte mich, ob sie sie Euch gesandt hatte, auf Mevarys Anweisung. Ihr seht, ich glaube nicht an Zauberei, aber an die Macht eines entschlossenen, bösen Gehirns, daran glaube ich, und sie, Jhanna, Valia - sie fürchtete ich von dem Augenblick an, da sie das Haus betrat. Seine Hure, wie auch ich es war, nachdem er mich dazu gemacht hatte, bediente mich, versuchte, sich in mein Vertrauen einzuschleichen, meine Schwächen herauszufinden. Ich gab ihr nicht nach. Aber sie war wie ein kalter Wind in meinem Rücken.« Eliset schwieg einen Augenblick. Dann fuhr sie fort: »Da ist noch etwas, das mir Angst macht. Mein Vater. Ich las Euren Brief, wie Ihr es vorausgesehen hattet. Gerris wurde darin nicht erwähnt. Wurde er vergiftet?«
    »Es kann sein.«
    »Von meinem Onkel.«
    »Ihr habt Eure Frage selbst beantwortet. Auch ich glaube, daß er es war.«
    Langsam wandte sie sich von ihm ab. Schließlich sagte sie: »Als ich bei unserem fürchterlichen Hochzeitsessen Euren Becher nahm, schien Euch das zu beunruhigen. Glaubtet Ehr, ich würde mich vergiften?«
    »Es war möglich. Jemand hatte Gift in einen der Becher getan. Zu dem Zeitpunkt war ich mir nicht sicher, in welchen.«
    »Also wart Ihr inzwischen von meiner Unschuld überzeugt, nach unserem dramatischen Wortwechsel auf dem Marktplatz von Cassireia?«
    »Nicht ganz. Da war immer noch ein Teil dieses faszinierenden Puzzles übrig, das sich einfach nicht unterbringen ließ. Und das hatte mit Euch zu tun, Eliset. Ein Rätsel. Trotz Eurer offensichtlichen Unschuld hätte ich nicht schwören mögen, daß Ihr keine Zauberin seid.«
    »Und könnt Ihr es jetzt beschwören? Sollte ich zittern?«
    »Ich sagte, ein Rätsel. Ich bin sicher, daß ich die Lösung gefunden habe.«
    »Und ich bin freigesprochen?«
    »Ihr seid freigesprochen. Außer, daß es vielleicht Auswirkungen auf Euer zukünftiges Leben haben wird.«
    Sie wartete. Ein Vogel sang zwischen den Blättern. Statt ihr von der
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