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Cypherpunks

Cypherpunks

Titel: Cypherpunks
Autoren: Jérémie Andy; Zimmermann Jacob; Müller-Maguhn Julian; Appelbaum Assange
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Akten zu veröffentlichen, die der frühere Geheimdienst angelegt hat. Der Präsident – ich meine, der heutige Präsident – würde ja damit auch die Herausgabe seiner eigenen Akte absegnen, der Akten seiner Verbündeten und so weiter. Die Geheimdienste respektieren ja die Privatsphäre nicht, solche Akten werden deshalb persönliche Angaben zu deinen Sexleben, deiner Telekommunikation, deinen Geldüberweisungen und alles enthalten, was du getan hast, Dinge eben, die du vielleicht nicht veröffentlicht sehen willst.
    JULIAN: Hast du die Situation mit Amn El Dawla verfolgt, dem Staatssicherheitsdienst in Ägypten? Tausende von Leuten haben ihn gestürmt und die Archive geplündert, als der Geheimdienst versucht hat, sie zu verbrennen, sie aus der Welt zu schaffen. Da ist ein Haufen Material ans Licht gekommen, das dann da in Umlauf gebracht worden ist. Auf dem örtlichenMarkt konnte man eine Akte für zwei Dollar kaufen. Daran ist die ägyptische Gesellschaft auch nicht kaputtgegangen.
    ANDY: Klar, ich sage nur, dass ich schon ein bisschen Verständnis dafür habe, wenn die Leute nicht ihre persönlichen Akten veröffentlicht sehen wollen. Ich würde das auch nicht wollen, wenn ich in einem Land leben würde, wo Aufzeichnungen über 40 Jahre geheimdienstlicher Ausspähung über mich im Archiv liegen und jeder Gang zum Klo überwacht wird.
    JULIAN: Aber da muss man doch Kosten und Nutzen gegeneinander abwägen, oder nicht? Ich meine: einmal Spitzel, immer Spitzel.
    ANDY: Richtig, aber nach der Hackerethik darf man, grob gesagt, öffentliche Informationen benutzen, während man private Informationen oder Daten schützen soll. Ich glaube wirklich, wenn wir für den Schutz der Privatsphäre eintreten – und wir haben ja sehr gute Gründe, das zu tun –, dann sollten wir nicht einfach sagen: Das eine gleicht das andere aus. Wir können doch differenzieren, wir müssen nicht alles in die Öffentlichkeit zerren.
    JACOB: Aber Geheimhaltung, die asymmetrisch ist, hat doch ihren Vorteil. Dein Argument basiert auf einem fundamentalen Irrtum, nämlich der Vorstellung, dass Daten privat sind, wenn der Zugang zu ihnen beschränkt ist. Aber das ist einfach nicht wahr. Wenn zum Beispiel, wie in meinem Heimatland, eine Million Staatsbedienstete eine Unbedenklichkeitsbescheinigung haben und auf diese privaten Daten Zugriff haben dürfen …
    JULIAN: 4,3 Millionen …
    JACOB: … wie kannst du da diese Daten noch privat nennen? Das Problem ist doch, dass sie nicht wirklich für jeden Menschen auf diesem Planeten hundertprozentig geheim sind.
    JULIAN: Sie werden vor den Ohnmächtigen für die Mächtigen geheim gehalten.
    ANDY: Ja, da hast du recht. Aber wenn wir die Archive vollständig öffnen wollten …
    JULIAN: Das ist doch in einigen anderen europäischen Ländern auch geschehen.
    ANDY: Nein, ich weiß von keinem einzigen Land, wo alle Archive geöffnet wurden.
    JULIAN: In Polen wurden die Archive in stärkerem Maße geöffnet als in Deutschland.
    ANDY: Das mag ja sein. Was tatsächlich passiert ist, die Schattenseite dieser Regelung in Deutschland, das ist, dass im Ostteil des wiedervereinigten Deutschlands ehemalige Stasi-Offiziere bei der Verwaltung der Stasi-Akten und an anderen Stellen eingesetzt worden sind. Da gibt es eine interessante Geschichte über eine Firma, die den Zuschlag bei der öffentlichen Ausschreibung zur Reinigung der Gebäude bekommen hat, in denen die Akten aufbewahrt werden. Diese Firma hat die Ausschreibung nur gewonnen, weil sie in einem Bieterverfahren mit anderen Firmen die preisgünstigste war. Nach sechs Jahren hat dann die Stasi-Unterlagenbehörde herausgefunden, dass sie zur Reinigung ihrer Archive ein Unternehmen angeheuert hatte, das die Stasi aufgebaut hatte.
    JÉRÉMIE: Es gibt dazu einen sehr guten Bericht auf WikiLeaks, den ich gelesen habe. 127
    ANDY: WikiLeaks hat das Gutachten dazu veröffentlicht. 128 Also da habt ihr schon recht: Wenn solche Archive erst mal geschaffen sind und in die Hände der falschen Leute geraten, dann lässt sich ihre Vertraulichkeit nur schwer gewährleisten.
    JULIAN: Wir können an dieser Stelle die Perspektive ein bisschen erweitern. Das Internet hat zu einer explosionsartigen Vermehrung der Informationsmenge geführt, die der Öffentlichkeit zur Verfügung steht – sie ist einfach gewaltig. Das hat ja eine ungeheure Bildungsfunktion. Andererseits sagen die Leute: »Sieh mal, all die vertraulichen Regierungsinformationen stehen jetzt auf WikiLeaks, die
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