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Cypherpunks

Cypherpunks

Titel: Cypherpunks
Autoren: Jérémie Andy; Zimmermann Jacob; Müller-Maguhn Julian; Appelbaum Assange
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Lage, sich geschützt auszutauschen und gegen solche Tendenzen zu verbünden, Mikrokapital könnte ohne Kontrollen von solchen für Menschen unwirtlichen Orten abgezogen werden.
    Auf solche Fundamente lässt sich eine ganze Bandbreite politischer Systeme gründen. Die Verwirklichung einer einzigenUtopie wäre für mich in Wirklichkeit eine Dystopie. Ich glaube, utopische Ideale müssen die Verschiedenartigkeit von Systemen und Interaktionsmodellen einschließen. Betrachtet man die rasante Entwicklung neuer kultureller Produkte, ja allein schon den sprachlichen Wandel, und wie Subkulturen ihre eigenen, durch das Internet potenzierten Interaktionsmechanismen schaffen, dann glaube ich schon, dass dies einer solchen positiven Entwicklung den Weg ebnen könnte.
    Allerdings dürften aller Wahrscheinlichkeit nach Tendenzen wie die Homogenisierung, Universalisierung und Verwandlung der ganzen menschlichen Zivilisation in einen einzigen Markt bedeuten, dass die Entwicklung von den gewohnten Marktfaktoren geprägt wird, wie zum Beispiel, dass es für jeden Dienst, für jedes Produkt einen Marktführer gibt, dann einen zweiten und dritten Nischenspieler und schließlich all die versprengten kleinen Anbieter und Hersteller, die nicht mehr den geringsten Unterschied machen. Es könnte zu einer durchgreifenden sprachlichen und kulturellen Homogenisierung, zu einer umfassenden Standardisierung kommen, um diese raschen Austauschprozesse effizient zu machen. Ich halte also auch ein pessimistisches Szenario für sehr wahrscheinlich. Der transnationale Überwachungsstaat und endlose Drohnenkriege sind ja schon fast zu unserer Realität geworden.
    Einmal habe ich mich in die Sydneyer Oper geschlichen, um eine Faust-Aufführung zu sehen. Das Sydney Opera House ist nachts wunderschön, die Lichter seiner prachtvollen Innenräume strahlen hinaus über das Wasser und beleuchten den Nachthimmel. Als ich nach der Vorstellung hinausgetreten bin, habe ich die Unterhaltung dreier Frauen mit angehört, die über die Brüstung lehnten und auf die dunkle Bucht hinausschauten. Die ältere Dame hat die Schwierigkeiten in ihrem Job geschildert. Sie war, wie sich herausstellte, Agentin bei der CIA, hattesich schon beim Geheimdienstausschuss des Senats beschwert und so weiter. All dies hat sie im Flüsterton ihrer Nichte und der anderen Frau erzählt. Es stimmt also, hab ich gedacht, CIA-Agenten vertreiben sich tatsächlich ihre Zeit in der Sydneyer Oper …
    Dann ist mein Blick durch die riesigen Glaspaneele ins Innere des Opernhauses gefallen, und da, inmitten dieser einsamen palastartigen Opulenz, ist eine Wasserratte am Interieur hochgeklettert, hin und her gewieselt, auf die mit feinem Leinen bedeckten Tische gehüpft und hat sich an den Speisen gütlich getan, schließlich ist sie auf den Ticketschalter gesprungen und schien sich bei allem köstlich zu amüsieren.
    Tatsächlich halte ich dies für das wahrscheinlichste Zukunftsszenario: eine äußerst einschnürende, homogenisierte, postmoderne, transnationale, totalitäre Struktur von enormer Komplexität, voller Absurditäten und Entwürdigungen, und innerhalb dieser unglaublichen Komplexität ein Raum, der nur den gewitzten Ratten offensteht.
    Das wäre ja sogar noch ein kleiner Lichtblick. Die negative Zukunftsvision aber hieße: die heraufziehende Herrschaft eines transnationalen, mit Drohnen gespickten Überwachungsstaats, getragen vom vernetzten Neofeudalismus einer transnationalen Elite – nicht im herkömmlichen Sinn, sondern im Sinne eines komplexen Wechselspiels vieler Parteien infolge der Ablösung und Loslösung verschiedener nationaler Eliten von ihren eigenen Ländern und Völkern und ihre Verschmelzung. Alle Kommunikation wird überwacht, dauerhaft gespeichert, unablässig nachverfolgt, von der Wiege bis ins Grab wird jede Person in all ihren Interaktionen für dieses neue Establishment beständig als eben diese Person identifiziert. Selbst verglichen mit der Zeit vor zehn Jahren wäre das ein durchgreifender Wandel, und wir sind praktisch schon dort angekommen. Ichglaube, daraus kann nur ein umfassendes Klima der Kontrolle entstehen.
    Wenn all die gesammelte Information über die Welt öffentlich würde, könnte das die Machtdynamik wieder ins Gleichgewicht rücken, es könnte uns, als globaler Zivilisation, die Möglichkeit verschaffen, unser Schicksal in die eigene Hand zu nehmen. Aber ohne einen dramatischen Wandel wird es nicht dazu kommen. Die Mehrheit von uns ist einer
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