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Cypherpunks

Cypherpunks

Titel: Cypherpunks
Autoren: Jérémie Andy; Zimmermann Jacob; Müller-Maguhn Julian; Appelbaum Assange
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zu stellen, wie das in der Open-Source-Bewegung und anderswo geschieht, dieser Gedanke hat wirklich die amerikanischen Cypherpunks und Julian Assange/WikiLeaks und andere angesteckt und sich mit ihrem Denken verbunden. Das ist jetzt eine globale Entwicklung, in der es sehr unterschiedliche, sehr dezentral gestreute Kulturen gibt – schweizerische, deutsche, italienische Hacker beispielsweise –, und das ist gut. Italienische Hacker verhalten sich komplett anders als deutsche: Wo immer sie sind, muss gut gekocht werden; bei deutschen Hackern muss alles immer ordentlich strukturiert sein. Ich sage nicht, das eine ist besser als das andere, ich sage nur, dass jede dieser dezentralisierten Kulturen ihre schönen Seiten hat. Auf einer italienischen Hackerkonferenz kannst du in die Küche gehen und kommst an einen fabelhaften Ort; in einem deutschen Hackercamp kannst du ein wunderschönes Internet erleben, aber du guckst dir besser nicht die Küche an.Trotzdem, der Kern von allem ist, dass wir etwas schaffen. Und ich glaube, wir haben eine Art gemeinsames Bewusstsein, das völlig losgelöst ist von unserer jeweiligen nationalen Identität – vom Deutsch-, Italienisch- oder Amerikanischsein oder was immer. Für uns steht einfach im Vordergrund, dass wir Probleme lösen wollen, wir wollen zusammenarbeiten. Wir sehen die Internetzensur, diesen Kampf von Regierungen gegen neue Technologie, als ein Entwicklungsstadium, das wir überwinden müssen.
    Wir sind schon auf dem Weg, Lösungen zu finden, statt nur Probleme aufzuzeigen, und das ist eine gute Sache. Wahrscheinlich kommt noch ein ganzer Haufen Bullshit auf uns zu, gegen den wir kämpfen müssen, in den nächsten … was weiß ich, wie viele Jahre noch, aber jetzt wächst endlich eine Politikergeneration heran, die das Internet nicht als Feind ansieht, sondern begreift, dass es ein Teil der Lösung und nicht des Problems ist. Wir haben noch immer eine Welt, die auf Waffen aufbaut, auf die Macht der Geheimhaltung, in einem ganzen wirtschaftlichen Rahmen und so weiter, aber das ändert sich, und ich glaube schon, dass wir gerade in der Politik sehr große Bedeutung gewonnen haben. Wir können die Probleme kontrovers diskutieren – und das ist etwas, was der CCC wirklich seit langem gut hinbekommt. Wir sind keine homogene Gruppe, wir haben sehr unterschiedliche Meinungen. Ich finde es gut, dass wir hier zusammensitzen und nicht sofort auf die besten Antworten kommen. Wir knallen unsere unterschiedlichen Vorstellungen auf den Tisch und schauen, wo unser gemeinsamer Nenner liegt. Das ist der Prozess, der weitergehen muss, und dass ist es, wofür wir ein freies Internet brauchen.
    JULIAN: Ich habe danach gefragt, wie wohl die denkbar positivste Zukunft aussehen könnte. Dazu gehören sicherlich Selbsterkenntnis, Vielfalt und selbstbestimmte Netzwerke. Dazu gehört eine gut gebildete Weltbevölkerung – nicht im Sinne formaler Bildung, sondern eines ausgereiften Verständnisses, wie die menschliche Zivilisation auf politischer, industrieller, wissenschaftlicher und psychologischer Ebene funktioniert –, als Folge eines freien Kommunikationsaustauschs, der auch den Anstoß zur Entstehung neuer, dynamischer Kulturen und zur maximalen Auffächerung individuellen Denkens gibt, zu wachsender regionaler Selbstbestimmung und der Selbstbestimmung von Interessengruppen, die in der Lage sind, sich über geografische Grenzen hinweg rasch zu vernetzen und mit Gewinn auszutauschen. Vielleicht ist gerade dies im arabischen Frühling und im durch das Internet potenzierten Aktivismus in der ganzen arabischen Welt zum Ausdruck gekommen. Bei unserer Arbeit mit dem Bloggerkollektiv Nawaat, dem es im vorrevolutionären Tunesien mit seiner Webseite TuniLeaks gelungen ist, landesbezogene Berichte des US-Außenministeriums an der Zensur vorbei ans Licht der tunesischen Öffentlichkeit zu schmuggeln, konnten wir aus erster Hand die fantastische Macht des Netzes erleben, Information dorthin zu tragen, wo sie gebraucht wird. Es hat uns außerordentlich gefreut, einen Beitrag zu den dortigen Entwicklungen leisten zu können. 137 Ich sehe diesen Kampf um Selbstbestimmung nicht getrennt vom unsrigen.
    Eine solche wünschenswerte Zukunft würde das Wissen der menschlichen Zivilisation von sich selbst einschließen, denn die Vergangenheit kann nicht gelöscht werden. Der Aufstieg neototalitärer Staaten wäre aufgrund des freien Flusses von Informationen praktisch unmöglich; die Menschen wären in der
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