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Cypherpunks

Cypherpunks

Titel: Cypherpunks
Autoren: Jérémie Andy; Zimmermann Jacob; Müller-Maguhn Julian; Appelbaum Assange
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Regierung kann aber auch überhaupt nichts geheim halten.« Ich sage, das ist Quatsch. Ich behaupte, WikiLeaks ist nur der Schatten eines Schattens. In Wirklichkeit muss man die Dokumente mit einem Umfang von über einer Million Wörter, die wir an die Öffentlichkeit gebracht haben, in Relation zu der gewaltig gestiegenen Menge an Geheimmaterial da draußen stellen. Und tatsächlich verfügen mächtige Gruppen heute über eine so riesige Menge an Geheimmaterial, dass im Vergleich dazu das öffentlich verfügbare Geheimmaterial nur ein winziger Abklatsch ist. WikiLeaks besitzt nur einen Prozentbruchteil dieses in privaten Händen befindlichen Materials. Wenn ihr euch das Verhältnis anschaut zwischen diesen mächtigen Akteuren mit Insider-Wissen, die über jede Kreditkartentransaktion auf der Welt Bescheid wissen, und denjenigen, die nach den Blogs der Welt und den Kommentaren der Leute googlen können, wie seht ihr das?
    ANDY: Aus meiner Sicht wäre es gut, all diese Daten zu enthüllen, weil die Leute auf diese Weise kapieren werden, dass sie eine Spur hinterlassen, wenn sie ihre Kreditkarte benutzen. Wenn wir das nur mit Worten vermitteln, werden das viele nur schwer begreifen und zu abstrakt finden. Aber in dem Moment, wo sie im Netz ihre eigenen Daten lesen müssen, wird bei ihnen der Groschen fallen.
    JULIAN: Wenn sie ihre Facebook-Datensätze mit 800 MB an Informationen über sich bekommen …
    ANDY: Ich hab erfahren, dass nach dem Fall der Mauer, als Bundeskanzler Kohl die Vereinigung Deutschlands aushandeln wollte, die Amerikaner in den sogenannten Zwei-plus-vier-Gesprächen die Bedingung durchsetzen wollten, dass die deutsche Telekommunikation weiter unter ihrer Kontrolle bleibt, unter ihrer Überwachung. Kohl hat gedacht, das sei nicht wichtig, weil er gar nicht verstanden hat, was Telekommunikationsüberwachung ist. Ich hab mal jemanden aus seinem Büro getroffen, der hat mir erzählt, wie entsetzt sie darüber gewesen sind, deshalb hätten sie schließlich dafür gesorgt, dass an die 8 000 von der Stasi verfasste Transkripte seiner Telefongespräche auf zwei Bürowägelchen in Kohls Büro gekarrt wurden. »Was soll denn dieses Zeug hier?«, hat Kohl gefragt. »Ach, das sind nur Ihre Telefonanrufe der letzten zehn Jahre, einschließlich der an Ihre Freundinnen, Ihre Frau, Ihre Sekretärin und so weiter.« Seine Berater haben ihm also auf diese Weise begreiflich gemacht, was Telekommunikationsüberwachung ist. Solche Geheimdienstakten helfen den Leuten wirklich, zu begreifen, was Nachrichtendienste anstellen. Es gibt also gute Argumente für eine vollständige Offenlegung, und wenn wir jetzt darüber abstimmen würden, wäre ich mir nicht sicher, ob ich wirklich dagegen wäre.
    JULIAN: Ich möchte das jetzt nicht zu sehr breittreten, natürlich gibt es ja auch Fälle, zum Beispiel Ermittlungen gegen die Mafia, wo die Akten während der laufenden Untersuchung verschlossen bleiben sollten. Es gibt Umstände, wo das als legitim durchgehen könnte. Ich behaupte nicht, dass das als Politik legitim ist; ich sage nur, es ist politisch unvermeidlich. Die Forderungen danach sind politisch so stichhaltig – zum Beispiel kommt das Argument: »Diese Leute haben zuvor gemordet, jetzt planen sie einen weiteren Mord« –, die Argumente sind so einleuchtend, dass es immer Lauschangriffe geben wird, ganz gleich, ob du sie für statthaft hältst oder nicht. Diesen politischen Kampf kannst du nicht gewinnen. Aber diese Art von taktischer Überwachung hat den Vorteil, dass man sie teilweise regulieren kann und sich der Schaden auf eine minimale Zahl von Leuten begrenzen lässt. Wo taktische Lauschaktionen zur Strafverfolgung (im Gegensatz zu geheimdienstlicher Überwachung) durchgeführt werden, dienen sie häufig der Beweisaufnahme. Die Beweise landen schließlich in einem Gerichtsverfahren und folglich in der Öffentlichkeit. Es gibt also, zumindest zu bestimmten Zeiten, eine gewisse Aufsicht über die ergriffenen Maßnahmen. Man kann außerdem Beteiligte im Zeugenstand darüber befragen, wie eine bestimmte Information gewonnen wurde und warum wir sie für glaubhaft halten sollten. Man kann ein wachsames Auge darauf haben. Aber die Regulierung strategischer Überwachung ist kompletter Unsinn, denn dabei wird ja per definitionem alles überwacht. Also welches Gesetz sollen wir anwenden, wenn die Ausgangsprämisse die Belauschung aller ist?
    JÉRÉMIE: Bei eurer Diskussion um vollständige Offenlegung kommt mir die
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