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Cypherpunks

Cypherpunks

Titel: Cypherpunks
Autoren: Jérémie Andy; Zimmermann Jacob; Müller-Maguhn Julian; Appelbaum Assange
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eigentliche Ziel im Auge behalten musst, das darin besteht, das Unheil, den Missbrauch zu stoppen. Dazu gehört es, sicherzustellen, dass es Beweise gibt und es einen Anreiz für die Leute, die über die entsprechenden Werkzeuge verfügen, gibt, solche Verbrechen aufzuklären. Das ist, finde ich, ungeheuer wichtig. Die Leute verlieren das wirklich aus dem Blickfeld, weil der leichte Weg darin besteht, so zu tun, als ob es nicht existiert. Es wird unterdrückt und dann heißt es, der Missbrauch sei beseitigt. Stimmt bloß nicht.
    ANDY: Das Problem ist, dass gerade jetzt viele Leute offenbar die einfache Lösung bevorzugen werden, weil es sehr unangenehm ist, darauf zu schauen, was in der Gesellschaft wirklich vor sich geht. Ich glaube, du hast eine Chance, ein politisches Problem zu bewältigen, wenn du nicht versuchst, eine Politik zu machen, die das Problem ignoriert oder unsichtbar macht. Das mag in gewisser Weise Cyberpolitik sein, aber es geht hier auch um die Frage, wie eine Gesellschaft mit Problemen umgeht, und ich hege große Zweifel, dass es so etwas wie Information, die unmittelbar schädlich wirkt, überhaupt gibt. Es hat natürlich mit der Fähigkeit zum Filtern zu tun, aber es stimmt auch, dass ich nicht alle Bilder sehen will, die im Internet verfügbar sind. Es gibt einige, die ich wirklich abstoßend und verwirrend finde, aber das Gleiche gilt für die Videothek um die Ecke, wo Filme stehen, die fiktional und hässlich sind.
    Die Frage ist also: Habe ich die Fähigkeit, mit dem, was ich sehe, verarbeite und lese, umzugehen? Das ist der Filteransatz. Tatsächlich hat Wau Holland, einer der Gründer des Chaos Computer Clubs, mal was Witziges gesagt: »Weißt du, Filterung sollte beim Endnutzer stattfinden, im Endgerät des Endnutzers.« 126
    JULIAN: Die Filterung sollte also von denen vorgenommen werden, die die Information erhalten.
    ANDY: Sie sollte hier stattfinden. Hier! [ Zeigt auf seinen Kopf. ]
    JULIAN: Im Gehirn.
    ANDY: Im Endgerät des Endnutzers, das ist dieses Ding zwischen deinen Ohren. Das ist der Ort, wo du filtern solltest, und es sollte nicht von der Regierung im Namen des Volkes betrieben werden. Wenn die Menschen etwas nicht sehen wollen, na, dann müssen sie es auch nicht, und heutzutage muss ja ohnehin jeder ständig allerhand herausfiltern.

PRIVATSPHÄRE DEN SCHWACHEN, TRANSPARENZPFLICHT DEN MÄCHTIGEN
    JULIAN: Andy, neulich hatte ich Gelegenheit, mit dem Präsidenten von Tunesien zu sprechen, und habe ihn gefragt, was denn eigentlich mit den Geheimdienstunterlagen aus der Herrschaftszeit des Diktators Ben Ali passieren solle – also praktisch mit den tunesischen Stasi-Akten. Die seien sehr interessant, hat er geantwortet, aber die Geheimdienste stellten ein Problem dar und seien sehr gefährlich, die müsse man erst einen nach dem anderen ausschalten. Aber im Hinblick auf diese Archive hält er es für das Beste für den Zusammenhalt der tunesischen Gesellschaft, dass sie alle geheim bleiben, um Zwietracht und Schuldzuweisungen zu vermeiden. Du warst beim Fall der Stasi in Ostdeutschland ja ein junger Mann. Erzähl doch mal ein bisschen was über die Stasi-Archive. Was hältst du von der Öffnung von Geheimdienstarchiven?
    ANDY: Deutschland hat wahrscheinlich den bestdokumentierten Geheimdienst auf dem gesamten Erdball, oder einen davon. Alle Dokumente der ostdeutschen Staatssicherheit – alle Handbücher, Dienst- und Ausbildungsunterlagen, alle internen Studien – sind heute mehr oder weniger öffentlich zugänglich. Mehr oder weniger heißt, dass man nicht an alle so leicht herankommt, aber doch an viele. Die Regierung hat eine Behörde geschaffen, die sich um die Akten kümmert, damit deutsche Bürger von ihrem Recht auf Einsichtnahme in ihre Stasi-Akten Gebrauch machen können.
    JULIAN: Die deutsche Regierung hat die Stasi-Unterlagenbehörde geschaffen, die von einem Bundesbeauftragten geführt wird und den Zugang zu diesem riesigen Stasi-Aktenarchiv ermöglicht.
    ANDY: Ja, und Journalisten können Anträge für sogenannte Forschungs- oder Medienvorhaben stellen, um spezielle Sachverhalte zu untersuchen, vergleichbar vielleicht mit dem Gesetz für Informationsfreiheit. Es gibt außerdem eine Fülle von Büchern, auch Strategie- und Praxisleitfäden, die zeigen, wie die Stasi im Einzelnen praktisch vorgegangen ist. Ich glaube, daraus kann man wirklich eine Menge lernen, ich verstehe aber auch, dass es wohl ein bisschen viel verlangt ist von den Tunesiern, alle persönlichen
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