Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cypherpunks

Cypherpunks

Titel: Cypherpunks
Autoren: Jérémie Andy; Zimmermann Jacob; Müller-Maguhn Julian; Appelbaum Assange
Vom Netzwerk:
intern gesammelten Daten, dieser Schattenstaaten der Informationen, die sich herauszubilden beginnen, mit ihrem Datenaustausch und ihren Verflechtungen untereinander und mit dem Privatsektor, und auf der anderen Seite der größer gewordenen digitalen Allmende, mit dem Internet als gemeinsamem Werkzeug, durch das die Menschheit mit sich selbst spricht.
    Ich möchte darauf zu sprechen kommen, wie wir unsere Ansichten den Leuten verständlich machen. Als jemand, der sich so intensiv mit staatlicher Überwachung beschäftigt hat und weiß, wie sich die transnationale Sicherheitsindustrie im Lauf der letzten 20 Jahre entwickelt hat, habe ich das große Problem, mit der Materie so vertraut zu sein, dass ich gar nicht mehr in der Lage bin, sie aus einer allgemeinen Perspektive zu betrachten. Aber jetzt ist aus unserer Welt die Welt aller geworden, alle breiten den innersten Kern ihres Lebens im Netz aus. Wir müssen irgendwie Wege finden, unser Wissen verständlich zu vermitteln, solange wir es noch können.
    ANDY: Ich schlage vor, es nicht aus der Sicht der Bürger zu betrachten, sondern aus der Perspektive der Mächtigen. Neulich bin ich auf einer merkwürdigen Konferenz in Washington gewesen, da sind mir so ein paar Leute mit einem Schildchen von der deutschen Botschaft über den Weg gelaufen. »Ach, Sie sind ja von der deutschen Botschaft«, sagte ich, worauf sie antworteten: »Ähm, von der Botschaft nicht so ganz, wir kommen ausder Nähe von München.« Es stellte sich heraus, dass die vom Bundesnachrichtendienst waren, und da wollte ich beim Abendbuffet von ihnen wissen, was denn nun im Zentrum der Geheimdienstarbeit steht. »Was ist denn nun der Fokus der Geheimhaltung«, habe ich sie gefragt. »Tja«, war die Antwort, »da geht es darum, Prozesse zu verlangsamen, damit man sie besser kontrollieren kann.« Das ist der Kern dieser Art von nachrichtendienstlicher Tätigkeit, einen Prozess zu verlangsamen, indem man den Leuten die Fähigkeit verwehrt, ihn zu verstehen. Dinge für geheim zu erklären bedeutet, die Zahl der Menschen zu begrenzen, die über das nötige Wissen verfügen und somit über die Fähigkeit, Einfluss auf den Prozess zu nehmen.
    Wenn man das Internet aus der Perspektive der Mächtigen betrachtet, dann waren die letzten 20 Jahre beängstigend. Sie sehen das Internet wie eine Krankheit, die ihre Fähigkeit schmälert, die Realität zu definieren, zu definieren, was abläuft, eine Fähigkeit, die dann dazu benutzt wird, um zu bestimmen, was die Leute von dem Geschehen mitbekommen und in welchem Maß sie daran beteiligt sein dürfen. Nehmt doch zum Beispiel nur mal Saudi Arabien, wo durch irgendeinen historischen Zufall die religiösen Führer dieselben Leute sind, die einen Großteil des Landes besitzen. Deren Interesse an Veränderung ist doch gleich null – es reicht von null bis minus fünf, könnte man wohl sagen. Die sehen das Internet wie ein böses Leiden und fragen ihre Berater: »Habt ihr nicht ein Mittel gegen dieses Ding da draußen? Wir müssen immun sein, wenn es unser Land befällt, wenn dieses Internet-Dingsda kommt.« Und die Antwort ist massenhafte Überwachung, sie lautet: »Wir müssen es vollständig in den Griff kriegen, wir brauchen Filter, wir müssen alles wissen, was die wissen.« Das ist es, was in den letzten 20 Jahren passiert ist. Es hat riesige Investitionen in Überwachung gegeben, weil sich bei den Mächtigen die Angst breitgemachthat, dass das Internet ihre Art des Regierens beeinträchtigen könnte.
    JULIAN: Und doch hat trotz dieser massenhaften Überwachung die Massenkommunikation dazu geführt, dass Millionen von Menschen in der Lage sind, rasch einen Konsens herzustellen. Wenn man sehr schnell von einer normalen Position zu einer neuen Position des Massenkonsenses gelangen kann, dann mag der Staat zwar noch gerade so in der Lage sein, die Entwicklung kommen zu sehen, aber es bleibt ihm nicht mehr genug Zeit, um eine wirkungsvolle Reaktion zuwege zu bringen.
    So hat es 2008 in Kairo einen über Facebook organisierten Protest gegeben. Die Mubarak-Regierung war davon schon überrascht, aber als Folge hat sie dann mit Hilfe von Facebook Jagd auf die Leute gemacht. 28 2011 stand in einem Handbuch, eines der wichtigsten Dokumente in der ägyptischen Revolution, auf der ersten Seite und noch einmal auf der letzten Seite: »Benutzt zur Verbreitung dieses Handbuchs weder Twitter noch Facebook.« 29 Viele Ägypter haben es trotzdem über Twitter und Facebook
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher