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Cypherpunks

Cypherpunks

Titel: Cypherpunks
Autoren: Jérémie Andy; Zimmermann Jacob; Müller-Maguhn Julian; Appelbaum Assange
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demokratisieren; sie lassen sich an alle Menschen verteilen. Aber bei der Mehrzahl handelt es sich – aufgrund ihrer Komplexität – um Techniken, die aus stark verflochtenen Organisationen heraus entstehen, wie zum Beispiel die Produkte des Chipherstellers Intel. Vielleicht wohnt der Technik ja eine Tendenz inne, sich in Phasen zu entwickeln, von der Entdeckung über die Zentralisierung zur Demokratisierung, wenn das Wissen über das Wie von einer Generation auf die nächste übergeht. Aber ich glaube, dass die Technik eher der allgemeinen Tendenz folgt, Kontrolle in der Hand derjenigen Menschen zu zentralisieren, die über ihre physischen Ressourcen gebieten.
    So ein Halbleiterproduzent ist wahrscheinlich das beste Beispiel dafür. Man benötigt hier eine so strenge Ordnung, dass selbst die Luft rein sein muss. Man braucht eine Fabrik, in der Tausende von Leuten arbeiten, alle mit Haarnetzen, um jede kleine Hautschuppe, jedes Härchen aus dem Herstellungsprozess herauszuhalten, bei dem es sich um ein mehrstufiges, überaus kompliziertes Verfahren handelt. Und es gibt wortwörtlich Millionen von Personenstunden Forschungswissen, die sich das Halbleiterunternehmen erworben hat. Wenn die Produkte weite Verbreitung finden, und das tun sie ja, und wenn das Internet auf ihnen aufbaut, dann ist die Halbleiterherstellung der Internetbefreiung sozusagen einkodiert. Und untrennbar mit der Halbleiterherstellung verbunden ist wiederum die externeMacht insbesondere des Staates, der ja die physische Kontrolle über den Produzenten besitzt, diesem enorme Konzessionen abzunötigen.
    Der High-Tech-Kommunikationsrevolution – und der Freiheit, die wir aus ihr gewonnen haben – liegt also die ganze neoliberale, transnationale, globalisierte moderne Marktwirtschaft zugrunde.
    Tatsächlich ist sie deren Gipfelpunkt. Sie ist in technologischer Hinsicht die höchste Errungenschaft, zu der die moderne, globalisierte, neoliberale Wirtschaft fähig ist. Das Internet gründet auf extrem komplexen Handelsbeziehungen zwischen Glasfaserproduzenten, Halbleiterherstellern, Bergbauunternehmen, die all die Rohstoffe ausbuddeln, sowie den finanziellen Schmiermitteln, die den Handel ermöglichen, aus Gerichtshöfen, die Verträge und Eigentumsrechte durchsetzen und so weiter. Es ist also wirklich die Spitze der Pyramide des ganzen neoliberalen Systems.
    ANDY: Eine Anmerkung zum Thema Technik. Nachdem Johannes Gutenberg die Druckerpresse erfunden hatte, ist sie in Teilen Deutschlands immer wieder verboten worden. Auf diese Weise hat sie sich im ganzen Land verbreitet, denn wenn sie in einem Herrschaftsgebiet verboten worden war, zogen die Drucker in ein anderes. 31 Ich habe nicht alles bis ins Einzelne nachgelesen, aber ich weiß, dass sie, wann immer es Ärger mit der katholischen Kirche wegen Verletzung des Buchdruckmonopols und Rechtsstreitigkeiten gab, an einen anderen Ort gezogen sind, an dem es nicht verboten war. Das war einer der Gründe für die Ausbreitung des Buchdrucks.
    Beim Internet ist es wohl ein bisschen anders gewesen, weil man einerseits Maschinen hat, die als Produktionsanlage benutzt werden können, was selbst der Commodore 64 in gewisser Weise war, auch wenn die meisten Leute ihn für andere Zwecke genutzt haben …
    JULIAN: Auf jeder kleinen Maschine, die du hattest, konntest du also deine eigene Software laufen lassen.
    ANDY: Ja. Und du konntest sie auch nutzen, um Ideen zu verbreiten. Aber andererseits, philosophisch gesagt, »interpretiert das Netz Zensur als Schaden und leitet den Verkehr um ihn herum«. So hat es John Gilmore Anfang der neunziger Jahre ausgedrückt, als das Internet erstmals eine globale Reichweite erlangte. 32 Das ist, wie wir heute wissen, eine Technikdeutung gewesen, die mit einer optimistischen Sicht ihrer Wirkung verbunden war, eine Art Wunschdenken und auch eine sich selbst bewahrheitende Prophezeiung.
    JULIAN: Aber beim Usenet, das sozusagen ein E-Mail-System nach dem Viele-zu-vielen-Prinzip ist und vor 30 Jahren angefangen hat, hat es gestimmt. 33 Einfach erklärt kann man sich Usenet so vorstellen, dass es keinen Unterschied zwischen Menschen und Servern gibt und jeder Teilnehmer seinen eigenen Usenet-Server betreibt. Du schreibst etwas und gibst es an ein oder zwei Leute weiter. Die überprüften (automatisch), ob sie es bereits haben. Falls nicht, nehmen sie es und geben es an alle weiter, mit denen sie verbunden sind. Und so weiter und so fort. Die Nachricht fließt also an alle weiter,
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