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Cypherpunks

Cypherpunks

Titel: Cypherpunks
Autoren: Jérémie Andy; Zimmermann Jacob; Müller-Maguhn Julian; Appelbaum Assange
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weitergegeben, aber das haben sie nur deshalb überlebt, weil die Revolution siegreich war. Wenn sie erfolglos verlaufen wäre, dann wären diese Menschen in eine sehr, sehr schlimme Lage gekommen. Wir sollten nicht vergessen, dass Präsident Mubarak das Internet in Ägypten zu einem ziemlich frühen Zeitpunkt abgeschaltet hat. Tatsächlich ist es fraglich, ob der Ausfall des Internets der Revolution eher genützt oder geschadet hat. Einige sind der Meinung, dass sie dadurch erleichtert worden ist, weil die Menschen so ja auf die Straße gehen mussten, um Neuigkeiten über das Geschehen zu erfahren, und wenn man erst mal auf der Straße ist, kann sich leicht mehr entwickeln. Und die Leute waren ja unmittelbar betroffen, weil ihre Handys und ihr Internet nicht mehr funktionierten.
    Wenn man also erfolgreich sein will, braucht man eine kritische Masse, es muss schnell gehen und man muss gewinnen, denn falls man unterliegen sollte, wird eben jene Infrastruktur, die so schnell die Bildung eines Konsenses erlaubt hatte, dazu benutzt werden, um sämtliche Initiatoren aufzuspüren und auszuschalten.
    So viel zu Ägypten, das zwar ein Verbündeter der Vereinigten Staaten ist, das ist richtig, aber es gehört nicht zur englischsprachigen Nachrichtendienstallianz aus USA, Großbritannien, Australien, Neuseeland und Kanada.
    Stellen wir uns doch nur mal vor, die ägyptische Revolution wäre stattdessen in den Vereinigten Staaten losgegangen: Was wäre wohl mit Facebook und Twitter passiert? Sie wären vom Staat übernommen worden, und wäre die Revolution gescheitert, hätten CIA und FBI, wie es jetzt ja auch geschieht, die Register dieser Firmen nach den Daten der wichtigsten Beteiligten durchforstet.
    JÉRÉMIE: Es ist schwer, Überwachung von Kontrolle zu trennen. Wir müssen beides ansprechen. Das ist eher das, wo mein Interesse liegt: die Kontrolle des Internets, ob durch Regierungen oder Unternehmen.
    JACOB: Ich glaube, es ist ziemlich klar, dass Zensur im Allgemeinen ein Nebenprodukt von Überwachung ist, ob es sich nun um Selbstzensur oder tatsächliche technische Zensur handelt, und ich glaube, man sollte das den Menschen am besten auf eine nicht-technische Art vermitteln. Wenn wir zum Beispiel Straßen so bauen würden wie das Internet, dann wäre jede von ihnen mit Überwachungskameras und Mikrofonen ausgestattet, auf die niemand außer der Polizei – oder jemand, der sich erfolgreich als Polizei ausgibt – Zugriff hätte.
    JULIAN: Sie sind schon auf dem besten Weg dahin, Jake – in Großbritannien.
    JACOB: Wenn du eine Straße baust, gehört es nicht zu den Anforderungen, jeden Zentimeter mit einem perfekten Überwachungssystem kontrollieren zu können, auf das nur eine geheime Personengruppe Zugriff hat. Wenn man gewöhnlichen Menschen erklärt, dass dies aber die Art und Weise ist, wie wir Straßen im Internet bauen, und dann zu erwarten, dass diese Straßen benutzt werden – damit könnten normale Menschen etwas anfangen, wenn ihnen klar wird, dass die ursprünglichen Straßenbauer nicht unbedingt diejenigen sind, die das Heft in der Hand halten.
    ANDY: Aber manche bauen nicht mal Straßen, sondern legen da draußen einen Garten an und laden alle ein, sich auszuziehen. Das ist es, was Facebook wirklich macht. Das Geschäftsmodell vermittelt den Leuten doch, wie angenehm es ist, ihre Daten preiszugeben.
    JACOB: Genau. Bei der Stasi gab es für die Mitarbeit eine Belohnung, und auch bei Facebook kriegt man was fürs Mitmachen. Nur dass man bei Facebook statt direkter Bezahlung mit sozialen Pluspunkten belohnt wird – um sich vom Nachbarn flachlegen zu lassen. Und es ist wichtig, es einfach unter dem menschlichen Gesichtspunkt zu sehen, denn es dreht sich hier nicht um Technologie, es dreht sich um Kontrolle durch Überwachung. Es ist in mancherlei Hinsicht ein perfektes Panopticon. 30
    JULIAN: Ich interessiere mich sehr für Technikphilosophie. Technik bedeutet nicht einfach ein technisches Ding, sondern damit kann auch, sagen wir, der Mehrheitskonsens in einemGremium oder die Struktur eines Parlaments gemeint sein. In diesem Sinn ist Technik systematisierte Interaktion. Feudalsysteme haben sich zum Beispiel, wie es scheint, aus der Mühlentechnik entwickelt. Sobald man Mühlen zentralisiert hatte, was große Investitionen erforderte, war es ganz natürlich, dass daraus als Folge Feudalbeziehungen entstehen würden, weil man sie leicht einer physischen Kontrolle unterwerfen konnte. Einige Techniken lassen sich
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