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Cut

Cut

Titel: Cut
Autoren: Amanda Kyle Williams
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meisten scheinter die gelben mit den violetten Augen zu mögen, die gleichen, die zufälligerweise im Angebot der Gärtnerei immer wieder fehlen.
    Er kam lächelnd herein, den Helm schief auf dem Kopf und die dickrandige Brille fast bis auf die Stirn geschoben. Er trug seine Kurieruniform, Shorts und ein besticktes Poloshirt, dazu weiße, kurze Socken. Sein Körper ist schlank und kräftig, seine Beinmuskulatur zeigt, dass Charlie einmal ziemlich sportlich war. Aber so wie er seinen Kopf hält, das gelegentliche Zucken und das Starren mit offenem Mund, das ihn manchmal überkommt, all das lässt keinen Zweifel daran, dass mit dem armen Charlie irgendetwas nicht stimmt.
    Er streckte uns seine umgedrehte Baseballkappe hin. «Feigen», sagte er, zu laut und so vernuschelt, dass es wie
Fleigen
klang. «Magst du Fleigen, Keye? Neil, du?»
    «Frische Fleigen?», meinte Neil und grinste. «Super. Wo hast du die geklaut?»
    Charlie zeigte Richtung Tür. «Von einem Scheißbaum», sagte er und sah zufrieden aus. Neil lachte schallend und applaudierte. Er hatte Charlie beigebracht, wie man fluchte. Ich warf Neil einen bösen Blick zu.
    «Meine Eltern haben einen Feigenbaum im Garten, Charlie», sagte ich. «Willst du wissen, wie sie die Feigen zubereiten?» Ich öffnete den Kühlschrank und holte eine Packung Mascarpone heraus. Neil und ich verfeinern alles damit, ob Selleriestangen oder Sandwiches. «Kommst du mit einem Messer klar, Charlie? Kannst du die Feigen halbieren?»
    Charlie nickte. «Ich weiß, wie man Fische ausnimmt.»
    «Wow», sagte ich, rieb etwas Orangenschale in den Mascarpone und gab ein wenig Honig dazu. Charlie nahm einen Teelöffel, tauchte ihn in die Masse und bedeckte nach meinen Anweisungen die Feigenhälften. Danach verzierte ich dasGanze noch mit Schoko-Haselnuss-Creme. Eine Weile bewunderten wir unser Werk.
    «Verdammt schön», sagte Charlie.
    «Sie werden dir schmecken, versprochen», sagte ich.
    «Hältst du deine Versprechen, Keye?», fragte Charlie und steckte sich eine Feige in den Mund.
    Ich dachte darüber nach. «Ich habe es nicht immer getan, Charlie, aber ich versuche es.»
    Neil schenkte sich frischen Kaffee ein und setzte sich an den Tisch.
    Charlie nahm noch eine Feige. «Die sind wirklich gut! Warum heißt du Keye?»
    «Mein Großvater hieß Keye.»
    «Aber du hast doch gar keine Familie.»
    Ich konnte mich nicht daran erinnern, dass ich Charlie etwas über meine Kindheit erzählt hatte, aber dann fiel mir wieder der Tag ein, an dem ich so mutig gewesen war, ihn nach seiner Vergangenheit zu fragen. Er war so unglaublich klar und ernsthaft gewesen. Vielleicht hatte ich ihm damals etwas erzählt.
    «Doch, ich habe eine Familie. Aber die hatte ich nicht gleich von Anfang an. Die Familie, die ich jetzt habe, wollte meinen Namen nicht ändern.»
    «Das ist gut. Es ist ein schöner Name», sagte Charlie und wischte sich mit dem Unterarm etwas Käse und Schokolade vom Mund. «Und was du von Anfang an hattest, gehörte ja alles dir, oder?»
    Ich legte meine Hand auf seine. «Du bist ein sehr kluger Kerl. Weißt du das?»
    «Ja», antwortete Charlie. «Ich kann Fische echt schnell ausnehmen.»

5
    D ie Tür ging auf, die Sonne schien hinein, und Lieutenant Aaron Rauser schlenderte herein und stieß beinahe mit Charlie zusammen.
    «Charlie, wie geht’s?», fragte Rauser und hob eine Hand.
    Charlie lachte laut auf und schlug Rausers Hand ein. «Muss arbeiten gehen, Mr.   Mann. Hey, Keye kann kochen», meinte er und verschwand ohne weitere Erklärung.
    «Oookay», sagte Rauser und fügte dann halb flüsternd hinzu: «Kaum zu glauben, dass er mal Biochemiker war oder so. Armer Kerl.»
    «Ich habe gehört, er war Ingenieur, aber ich glaub’s nicht», sagte Neil und spähte hinaus, um sich zu vergewissern, dass Charlie weg war. «Meiner Meinung nach ist er einfach zurückgeblieben.»
    Rauser kicherte, und ich sagte: «Das ist unglaublich unsensibel, selbst für eure Verhältnisse.»
    «Was soll’s», meinte Neil und kehrte mit seinem Kaffeebecher an den Schreibtisch zurück.
    Rauser ging in die Küche, wo es fast immer frischen Kaffee gab. Neil scheint von nichts anderem zu leben. Und manchmal, wenn er besonders großzügig ist, macht er Rauser und mir Cappuccino. Morgens bevorzugt er seinen Kaffee schwarz und stark, nachmittags im Winter trinkt er gerne einen Jamaican Blue und im Sommer kubanischen Eiskaffee mit Sahneund Zucker. Wenn meine Beine zu zittern anfangen, schenkt er mir keinen mehr
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