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Cut

Cut

Titel: Cut
Autoren: Amanda Kyle Williams
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lang in einer Höhle gelebt. Ich war auf der Suche nach irgendetwas, nach irgendeiner Arbeit, nach irgendeiner Ablenkung. Ich wollte auf keinen Fall dorthin zurück. In der Klinik hatte mich jemand gefragt, ob dies mein erster Entzug sei, und ich weiß noch, wie ich ihn mit offenem Mund anstarrte und dachte, mein Gott, einmal genügt nicht? Aber jetzt verstehe ich. Draußen klarzukommen ist eine ganz andere Sache. Es gibt keine Hilfe und keine Sicherheit. Kein Netz und keinen doppelten Boden. Der Tag hat zu viele Stunden, und Stunde um Stunde wird man mit seiner eigenen eklatanten Schwäche konfrontiert.
    In den ersten Tagen besuchte ich in der ganzen Stadt Treffen der Anonymen Alkoholiker, manchmal ging ich von einem Treffen direkt zum nächsten. Und ich hasste sie. Das ständige Gerede von Gott ging mir echt auf die Nerven. Ich weiß, ich weiß. Sie sagen dort, man kann sich irgendwas als seinen persönlichen Gott wählen. Leichter gesagt als getan. Wenn man bei einem Meeting ist und jeder Händchen halten und beten will, dann hat man nicht wirklich eine Wahl. Und dass jeder Teilnehmer ständig vom Alkohol redete, führte bei mir nur dazu, dass ich ständig Lust auf einen Scheißdrink hatte. Aber bei den Treffen kriegt man nichts zu trinken, und das ist eben der Punkt, jedenfalls war es für mich der Hauptgrund hinzugehen. Die Leute bei den Meetings, denen ich mich so überlegen fühlte und die ich manchmal für ihre Schwächen und ihre Freundlichkeit verachtete, nahmen meine Feindseligkeit extrem geduldig und verständnisvoll hin und retteten mir trotz meiner beschissenen Einstellung das Leben. Statt in den nächsten Schnapsladen zu rennen, ging ich hinaus in die Welt, um zu arbeiten.
    Die Detektei lief sofort gut an, und ich war die ganze Zeit beschäftigt mit traditionellen Ermittlungsaufträgen, der Suche nach Vermissten, dem Aufspüren von Wanzen, dem Verhaften von Flüchtigen und gelegentlich mit Ausflügen in Gebiete, über die man lieber nicht öffentlich spricht.
    «Denver», gluckste Neil. «Wir haben ihn. Er hat dort ein Haus gekauft.»
    Neil ist blond, ein bisschen schmuddelig und meistens unrasiert. Er saß vor einem Computer, sein Hawaiihemd bis zum Bauchnabel aufgeknöpft. In einer Stadt ohne Strand wirkt Neil ein wenig fehl am Platz. Als ich mich zu ihm hinunterbeugte, um auf den Bildschirm zu sehen, roch ich Kaffee und Marihuana, seine persönlichen Aufputschmittel.
    Wir versuchten seit einiger Zeit, einen Buchhalter aufzuspüren, der aus der Stadt verschwunden war, mitsamt dem Inhalt eines Firmensafes, in dem sich unter anderem eine ziemlich große Menge Bargeld befunden hatte. Die Firma wollte keine Anklage erheben, sondern die Sache, so hatte ich es verstanden, auf leise Weise klären. Wir sollten einfach den Buchhalter ausfindig machen und ihnen die nötigen Informationen übergeben. Ich fragte nicht nach den Gründen. Irgendetwas in dem Safe war offenbar einige Mühen wert, aber das ging mich nichts an. Meine Tage als Gesetzeshüterin waren vorbei.
    «Der Typ klaut fünfhunderttausend», meinte Neil und strich sich sein langes Haar hinters Ohr. «Und dann geht er nach Denver? Kannst du dir das vorstellen?»
    Neil war der erste Mensch gewesen, den ich angerufen hatte, als mir die Idee für die Detektei kam, denn ohne sein Wissen hätte ich nicht anfangen können. Er kennt sich wie kein anderer mit Computern aus, er ist einer von diesen Typen, die sich während ihrer Highschool-Zeit am liebsten insZimmer einschlossen, den Computer auf dem Schoß, ein paar Drogen in Reichweite und den Kopf voller revolutionärer Spinnereien. Früher war Neil ein Hacker, und zwar ein äußerst erfolgreicher, der es erst auf die Fahndungsliste für Internetkriminelle geschafft und dann als Berater fürs FBI gearbeitet hatte. Er steht auf der Gehaltsliste von unzähligen Großkonzernen, die ihn als Sicherheitsexperten anheuerten, nachdem man seine illegalen Aktivitäten nicht hatte stoppen können. Neil wird heute bezahlt, um
nicht
zu hacken. Er ist also nichts anderes als ein Erpresser. Aber es kann nicht schaden, so jemanden zu kennen, oder? Außerdem arbeitet er zu günstigen Konditionen, denn eigentlich braucht er das Geld nicht. Er arbeitet für mich, weil es ihm Spaß macht, allerdings macht es ihm nur Spaß, wenn er die volle Kontrolle hat. Das heißt, er arbeitet nur, wenn er Lust hat und nur zu seinen Bedingungen. Ich habe kein Problem damit. Er ist ein äußerst wertvoller Mitarbeiter, und meistens kommen
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