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Cut

Cut

Titel: Cut
Autoren: Amanda Kyle Williams
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nicht einmal die Aussicht auf Mutters Brombeercobbler könnte ihn zurück nach Georgia locken.
    Was ich in dieser Nacht auf der Veranda eines alten Hauses zu suchen hatte, meine Zehn-Millimeter-Glock in beiden Händen, den Rücken an die Wand gepresst, von der die Farbe blätterte und auf mein schwarzes T-Shirt abfärbte, und warum ich über den knarrenden Holzboden schlich, ist eine ganz andere Geschichte.
    Früher wurde ich mit Special Agent Street angesprochen. Klingt nicht übel, oder? Ich war hervorragend ausgebildet fürdiese Arbeit und hatte einige praktische Erfahrung, bevor ich als Kriminalpsychologin oder Profilerin in das NCAVC, das Nationale Zentrum für die Analyse von Gewaltverbrechen, in Quantico versetzt wurde. Ein paar Jahre später nahm mir das FBI meinen Dienstausweis und meine Waffe ab und überreichte mir die Entlassungspapiere.
    «Sie haben Verstand und Talent, Dr.   Street. Es fehlt Ihnen lediglich die Konzentration.»
    Ich weiß noch, wie ich in dem Moment dachte, dass mir nur eines fehlte, und zwar ein Drink, was natürlich ein Teil des Problems war.
    An jenem Tag wurde ich ins Parkhaus des FBI geleitet, zu meinem alten Cabrio, einem weißen und ellenlangen 69er Impala, der schräg über die Linie auf zwei Parkplätzen stand. Schmeißt man einen Special Agent raus, kriegt man zwei freie Parkplätze. Kein schlechtes Geschäft.
    Vier Jahre später manövrierte ich mich an einem zugezogenen Fenster vorbei und gratulierte mir dazu, es geräuschlos geschafft zu haben. Doch dann knarrte die vergammelte Veranda plötzlich. Durchs Fenster sah ich den Lichtschein eines Fernsehers, der so leise lief, dass ich fast nichts verstand. Ich wartete reglos, lauschte, ob sich drinnen etwas rührte, guckte dann um die Ecke und versuchte, durch die Vorhänge zu spähen. Ich konnte die Umrisse eines Mannes erkennen. Wow! Gewaltige Umrisse.
    Solche Jobs können knifflig sein. Wer trotz hinterlegter Kaution nicht vor Gericht erscheinen will, bewegt sich schnell. Man muss zugreifen, sobald sich eine Chance ergibt. Man hat nicht die Zeit, etwas über die Nachbarschaft, die Tagesabläufe oder etwaige Besucher herauszukriegen. Ich war ohne Überwachung oder Unterstützung hier und völlig auf mich allein gestellt. Mein Herz hämmerte, und das Adrenalinströmte wie Wasser in einem Feuerwehrschlauch durch meine Adern. Ich schmeckte es geradezu.
Mandeln und Süßstoff.
Ich machte mir vor Angst fast in die Hose, und ich genoss es.

2
    D ie Straßenbeleuchtung war aus, der nächtliche Himmel mit dichten weißen Wolken überzogen, die ein schummriges Licht auf den überwucherten Vorgarten warfen und die Hitze wie eine Decke einschlossen. Atlanta im Sommer: schwül und stickig. Die Anspannung und die Feuchtigkeit ließen mir den Schweiß von der Stirn und über meine geschwärzten Wangen laufen. In meinen Tarnklamotten hockte ich mich neben die Eingangstür und kramte in meinem schwarzen Rucksack nach Tom. So nannte ich das Gerät, Tom, wie
Peeping Tom,
der Spanner. Es ist ein Miniaturbildschirm, der durch ein gut ein Meter langes Kabel mit einer Knopfkamera verbunden ist. Mit Toms Hilfe braucht man sich bei solchen Aufträgen nicht nur auf Vermutungen zu verlassen. Nachdem ich das Kabel mit der Kamera unter der Tür hindurchgeschoben und herumgedreht hatte, bekam ich einen ziemlich guten Blick ins Zimmer.
    Der Gesuchte, Antonio Johnson, war ein Wiederholungstäter. Kaum zwei Monate aus dem Gefängnis entlassen, hatte er einen Laden überfallen. Vor drei Wochen hatte ich seine Fährte in Kanada aufgenommen und wieder verloren. Doch seine Exfrau lebte in Atlanta, und Johnson war dafür bekannt, ihr nachzustellen, und tatsächlich hatte er sie wieder belästigt. Über einen Freund bei der Polizei hatte ich herausgefunden, dass er sie von einem Münztelefon in einem schäbigen Motelin Atlantas drogenverseuchtem West End angerufen hatte. Dort spürte ich Leute auf, die Johnson kannten, und einer verpfiff ihn für vierzig Dollar. Er war in einer Wohnung an der Jonesboro Road in der Nähe des Bundesgefängnisses untergekommen, eine Gegend, in der selbst die Einheimischen ihre Autotüren verriegeln, wenn sie an einer Ampel stehen, und die jeder Pendler nach Einbruch der Dunkelheit lieber weiträumig umfährt.
    Auf dem kleinen Monitor konnte ich ihn auf einem abgewetzten Sofa sitzen sehen, die Füße auf einem Couchtisch. Er schien allein zu sein, in der rechten Hand ein Bier, die linke lag in seinem Schoß und war teilweise
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