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Cut

Cut

Titel: Cut
Autoren: Amanda Kyle Williams
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still auf der Rückbank gesessen, benommen von den Drogen und dem Feuerwerk, doch als ich von einem Telefon des Reviers Tyrone anrief, für dessen Kautionsbüro ich arbeitete, und ihm sagte, dass ich Johnson geschnappt hatte, fing der Kerl an, verrückt zu spielen.
    Ein paar Polizisten, die am Ende ihrer Schicht hereintrudelten, lachten bei dem Aufruhr. «Hey, Keye», meinte einer der Uniformierten. «Was ist los? Hast du dich von dem Fettsack in den Arsch treten lassen?»
    Ich verdrehte die Augen, übergab Johnson dem Erkennungsdienst und wartete dann auf die Papiere, die ich brauchte, um mein Geld von Tyrone zu kriegen. Als ich hinüberging in Rausers gläsernes Büro, machten die Beamten im angrenzenden Großraumbüro Kussgeräusche. Rausers Beziehung zu mir schien sie immer wieder zu dämlichen Witzen zu provozieren. Ich schätze, wir gaben ein seltsames Paar ab. Rauser ist weiß und zwölf Jahre älter als ich. Wir kommen aus völlig verschiedenen Welten, und im Revier ging das Gerücht um, wir wären ein Liebespaar. Stimmte nicht. Er ist mein bester Freund.
    «Guten Morgen.» Ich versuchte fröhlich zu klingen, obwohl mir der Kopf dröhnte. Ich hatte keine Zeit gehabt, mich frischzumachen, meine Unterarme waren noch mit Glassplittern gespickt.
    Rauser sah auch nicht besser aus. Er deutete hinüber zu dem Tisch, wo Antonio Johnsons Fingerabdrücke genommen wurden. «Warum musst du solche Scheißjobs annehmen?»
    «Geld», sagte ich, aber das kaufte er mir nicht ab. Mein Lächeln verging. Es lag an seinem Ton. Manchmal musste Rauser nicht mehr tun, und das mochte ich ganz und gar nicht. Er hatte diesen Blick aufgesetzt. Immer hackte er auf mir herum, wenn er etwas nicht richtig fand.
    «Keye, um Gottes willen. Du bist überqualifiziert für so was, und du hast genug Aufträge von großen Firmen. Du brauchst solchen Mist nicht zu machen. Manchmal verstehe ich dich nicht.»
    Ich spielte mit einer Stiftkappe auf seinem Schreibtisch und vermied den Blickkontakt. Mir war klar, dass er das abweisend fand, aber ich war nicht in der Stimmung für seine väterlichen Ratschläge.
    Im Geiste ging ich kurz die Liste der Firmenaufträge durch. Die Honorare waren in der Tat nicht schlecht. Ich hatte einen Teil der Hypothek für meine Wohnung damit getilgt. Aber es war stumpfsinnige Arbeit: Überprüfen der Lebensläufe von Arbeitnehmern, der Herkunft von Kindermädchen, der Ansprüche von verletzten Arbeitern, der Klagen gegen Bauunternehmer und von untreuen Ehegatten. Ab und zu bot die Zustellung von Vorladungen etwas Abwechslung, aber zum größten Teil waren die Aufträge unerträglich langweilig.
    Seit ich das FBI verlassen hatte, besaß ich eine Lizenz für das Eintreiben von Kautionen. Damit war ich über die Rundengekommen, während ich meine eigene Privatdetektei aufbaute, und diese Aufträge bessern mein Einkommen noch immer schön auf. Meine Psychotante, Dr.   Shetty, meint, es wäre ein Machtding, knallharter Fall von Penisneid. Tja. Ich schnall mir halt hin und wieder gern eine große Glock um.
    Und meine Qualifikationen: ein Abschluss in Kriminologie an der Georgia Southern University, eine Promotion in Verhaltenspsychologie an der Georgia State. Doch selbst nach acht Jahren beim FBI würde ich damit in diesem Land bei keiner Polizeibehörde eine Stelle finden. Jedenfalls nicht mehr. Der Alkohol hat alles kaputtgemacht. Das Saufen hat nicht nur mein Leben durcheinandergewürfelt, sondern auch Eingang in meine Akten gefunden und meine Karriere für immer ruiniert. Ich könnte nicht einmal als Gutachterin arbeiten, denn Gutachter sind Fachleute, deren Vergangenheit im Zeugenstand nicht auseinandergepflückt werden kann. Ich habe zu viele Leichen im Keller.
    Ich war fünfzehn Jahre alt, als ich zum ersten Mal von der Abteilung für Verhaltensforschung am NCAVC hörte, und danach konnte ich an nichts anderes mehr denken. Ich richtete meine gesamten Studien und mein ganzes Leben auf dieses Ziel aus, und ein paar Jahre später hatte ich es geschafft. Und dann habe ich alles vermasselt.
    Manchmal erhält man nur eine Chance. Und manchmal ist das auch gut so. Denn im Grunde beginnt das wahre Leben erst dann, wenn man nicht das kriegt, worauf man fixiert war, und wenn man glaubt, nicht mehr weiterzuwissen. Plötzlich muss man umdenken und irgendwie versuchen, damit zurechtzukommen und seinen Seelenfrieden zu finden. Tief in sein Inneres zu schauen ist schließlich nie schlecht, selbst wenn einem dafür erst mal anständig
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