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Commissario Montalbano 08 - Die Passion des stillen Rächers

Commissario Montalbano 08 - Die Passion des stillen Rächers

Titel: Commissario Montalbano 08 - Die Passion des stillen Rächers
Autoren: Andrea Camilleri
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kümmert, man könnte fast meinen, sie alterten absichtlich frühzeitig. Das schwere, schmiedeeiserne Tor war angelehnt.
    Der Commissario betrat einen großen Salon, der mit dunklen, massiven Herrenzimmer-Möbeln eingerichtet war und auf den ersten Blick wie ein Museum wirkte, denn er war voll gestopft mit afrikanischen Masken und antiken Statuetten aus Südamerika, Reiseandenken des Geologen Salvatore Mistretta. In einer Ecke des Salons standen zwei Sessel, ein Tischchen mit Telefon, ein Fernseher. Fazio und ein Mann, der Mistretta sein musste, saßen in den Sesseln und starrten auf das Telefon. Als Montalbano eintrat, sah der Mann Fazio fragend an.
    »Das ist Commissario Montalbano. Signor Mistretta.«
    Der Mann kam mit ausgestreckter Hand auf ihn zu. Montalbano drückte sie wortlos. Der Geologe war um die sechzig, hager, leicht gebeugt, hatte zerzaustes weißes Haar, ein sonnenverbranntes Gesicht, genau wie seine südamerikanischen Statuetten, und helle Augen, die ruhelos durch den Raum wanderten wie bei einem Drogensüchtigen. Die innere Anspannung zerrte an seinen Nerven.
    »Keine Neuigkeiten?«, fragte Montalbano. Traurig breitete der Mann die Arme aus. »Ich würde gern mit Ihnen sprechen. Können wir in den Garten gehen?«
    Aus irgendeinem Grund brauchte Montalbano plötzlich frische Luft, der Salon hatte etwas Beklemmendes, durch die beiden großen Glastüren drang zu wenig Licht. Mistretta zögerte. Dann wandte er sich an Fazio.
    »Wenn Sie oben die Klingel hören … wären Sie dann so freundlich, mir Bescheid zu sagen?«
    »Natürlich«, sagte Fazio.
    Sie gingen hinaus. Der Garten rings um das Haus war völlig vernachlässigt, wirkte mit seinem verdorrten Gestrüpp wie Brachland.
    »Hier entlang«, sagte Mistretta.
    Er führte den Commissario zu einer gepflegten grünen Oase, in der halbkreisförmig hölzerne Gartenbänke aufgestellt waren.
    »Hier sitzt Susanna immer und …«
    Die Stimme versagte ihm, und er sank auf eine Bank. Der Commissario setzte sich neben ihn. Er holte seine Zigaretten hervor.
    »Rauchen Sie?«
    Was hatte Dottor Strazzera ihm nahe gelegt?
    »Hören Sie auf zu rauchen, wenn es geht.«
    Aber jetzt ging es nicht.
    »Ich hatte aufgehört, aber unter diesen Umständen …«, sagte Mistretta.
    Siehst du, lieber verehrter Dottor Strazzera, dass man manchmal einfach nicht ohne auskommt? Der Commissario gab ihm eine Zigarette und Feuer. Sie rauchten eine Weile schweigend, dann fragte Montalbano:
    »Ist Ihre Frau krank?«
    »Sie liegt im Sterben.«
    »Weiß sie von Susanna?«
    »Nein. Sie bekommt Schlaf- und Beruhigungsmittel. Mein Bruder Carlo ist Arzt und war heute Nacht bei ihr. Er ist vorhin erst gegangen. Aber …«
    »Aber?«
    »… sogar in diesem künstlichen Schlaf ruft meine Frau immerzu nach Susanna, als würde sie insgeheim spüren, dass etwas …«
    Dem Commissario brach der Schweiß aus. Wie sollte er mit einem Mann, dessen Frau im Sterben lag, über die Entführung seiner Tochter sprechen? Es blieb ihm wohl nichts anderes übrig, als einen bürokratisch-offiziellen Ton anzuschlagen, dem von Natur aus alles Menschliche fehlt.
    »Signor Mistretta, ich werde die zuständigen Stellen über die Entführung informieren müssen. Den Staatsanwalt, den Polizeipräsidenten, meine Kollegen in Montelusa … Und Sie müssen damit rechnen, dass auch der eine oder andere Journalist davon erfährt und mit der Fernsehkamera hier auftaucht … Ich habe es nur noch nicht getan, weil ich sicher sein möchte.«
    »Worüber?«
    »Dass wir es mit einer Entführung zu tun haben.«

Drei
    Mistretta sah ihn erstaunt an.
    »Was soll es denn sonst sein?«
    »Ich möchte vorausschicken, dass ich alles in Betracht ziehen muss, auch wenn das unangenehm ist.«
    »Ich verstehe.«
    »Eine Frage: Braucht Ihre Frau viel Betreuung?«
    »Durchgehend, Tag und Nacht.«
    »Wer versorgt sie?«
    »Susanna und ich, abwechselnd.«
    »Seit wann ist sie in diesem Zustand?«
    »Seit etwa sechs Monaten geht es ihr sehr schlecht.«
    »Könnte es nicht sein, dass Susanna so überanstrengt ist, dass ihr plötzlich die Nerven durchgegangen sind?«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Wäre es möglich, dass Susanna, erschöpft von den schlaflosen Nächten, der Lernerei und dem Anblick ihrer Mutter, aus freien Stücken geflüchtet ist, weil sie es einfach nicht mehr ausgehalten hat?«
    Die Antwort kam prompt.
    »Das schließe ich aus. Susanna ist stark, sie ist selbstlos. So etwas würde sie mir … nicht antun. Niemals. Und wo hätte
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