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Commissario Montalbano 08 - Die Passion des stillen Rächers

Commissario Montalbano 08 - Die Passion des stillen Rächers

Titel: Commissario Montalbano 08 - Die Passion des stillen Rächers
Autoren: Andrea Camilleri
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nicht in dem Nebengebäude, Dottore, aber ich könnte mit Sicherheit sagen, dass dort kürzlich ein Nebenanschluss installiert wurde …«
    »Wie kommen Sie darauf?«, fragte Carlo Mistretta.
    »Ich weiß es, weil Sie beide eine geniale Idee hatten, um einen eventuellen Verdacht von sich abzuwenden. Sie haben eine Gelegenheit beim Schopf ergriffen. Susanna wusste, dass ich zu Ihnen nach Hause käme, und da hat sie, während ich mit Ihnen gesprochen habe, die Aufnahme mit der Lösegeldsumme telefonisch durchgegeben. Aber ich habe etwas gehört, was mir nicht gleich klar war, nämlich das Geräusch, das eine Nebenstelle macht, wenn der Hörer abgenommen wird. Das lässt sich leicht überprüfen, man braucht sich nur bei der Telefongesellschaft zu erkundigen. Und das könnte ein Beweis sein, Dottore. Soll ich weitersprechen?«
    »Ja.«
    Susanna hatte geantwortet.
    »Ich weiß auch, und zwar von Ihnen, Dottore, dass es in dem Nebenhaus eine alte Kelterwanne gibt. Zu einer Kelterwanne gehört ein angrenzender Raum mit einem Becken zur Fermentation des Mostes. Und ich wette, dass dieser Raum ein Fenster hat. Das Sie, Dottore, öffneten, als Sie das Foto machten, denn es war Tag. Zusätzlich haben Sie die Wanne mit einer Werkstattlampe ausgeleuchtet. Doch ein Detail dieser sorgfältigen und überzeugenden Inszenierung haben Sie übersehen.«
    »Ein Detail?«
    »Ja, Dottore. Auf dem Polaroid ist knapp unterhalb des Beckenrands etwas wie ein Riss zu sehen. Diesen Ausschnitt habe ich vergrößern lassen. Es ist kein Riss.«
    »Sondern?«
    Er spürte, dass auch Susanna beinahe gefragt hätte. Sie begriffen immer noch nicht, was ihnen da für ein Fehler unterlaufen war. Er ahnte die Kopfbewegung des Doktors in Susannas Richtung hin, die Frage in seinem Blick, die nicht zu sehen war.
    »Ein altes Mostthermometer. Nicht als solches zu erkennen, von dicken Spinnweben bedeckt, schwarz angelaufen, mit der Wand verkrustet, eins mit ihr geworden. Und daher für Ihre Augen nicht zu sehen. Aber es hängt dort, es hängt immer noch dort. Und das ist der endgültige Beweis. Ich müsste nur aufstehen, hineingehen, telefonieren, zwei meiner Leute zu Ihrer Bewachung abstellen, den Richter wegen der Genehmigung anrufen und Ihr Haus durchsuchen, Dottore.«
    »Das wäre ein hübscher Karrieresprung für Sie«, spottete Mistretta.
    »Sie liegen schon wieder völlig falsch. In meiner Karriere gibt’s keine Sprünge mehr, nicht nach vorn und nicht nach hinten. Was ich hier tue, tue ich nicht für Sie.«
    »Etwa für mich?«
    Susannas Stimme klang erstaunt.
    Ja, für dich. Weil ich fasziniert bin von der Qualität, der Intensität, der Reinheit deines Hasses, weil ich beeindruckt bin von der teuflischen Kraft, die du besitzt, von der Kälte und dem Mut und der Geduld, mit denen du dein Vorhaben ausgeführt hast, weil es mich beeindruckt, dass du den Preis dafür bedacht hast und bereit bist, ihn zu zahlen. Und ich habe es auch für mich getan, weil es nicht richtig ist, dass die einen leiden und andere auf deren Kosten und unter der schützenden Hand des so genannten Rechts das Leben genießen. Kann man, wenn man bald am Ende des Berufslebens angelangt ist, gegen einen Zustand aufbegehren, zu dessen Erhalt man selbst beigetragen hat?
    Da der Commissario nicht antwortete, sagte Susanna etwas, was keine Frage war.
    »Die Pflegerin hat gesagt, Sie hätten meine Mutter sehen wollen.«
    Ich wollte sie sehen, ja. In ihrem Bett, vollkommen verändert, kein Körper mehr, fast eine Sache, eine Sache aber, die klagte, die schrecklich litt … In dem Augenblick war mir das gar nicht klar, aber ich wollte den Ort sehen, an dem dein Hass Wurzeln geschlagen hatte, an dem er unaufhaltsam wuchs, je mehr in dem Zimmer der dumpfe Geruch nach Medizin, nach Exkrementen, Schweiß, Krankheit, Erbrochenem, Eiter, Wundbrand zunahm, der das Herz dieser Sache, die dort im Bett lag, zerstört hatte, dieser Hass, mit dem du die Menschen, die dir nahe waren, angesteckt hast … Nein, deinen Vater nicht, dein Vater wusste nichts davon er wusste nicht, dass alles fingiert war, er war in furchtbarer Sorge wegen der Geschehnisse, die er für eine echte Entführung hielt … Aber auch das war ein Preis, den zu zahlen du bereit warst und den die anderen zahlen mussten, denn wie die Liebe macht wahrer Hass auch vor der Verzweiflung und der Trauer Unschuldiger nicht Halt.
    »Ich wollte mir ein klares Bild machen.«
    Vom Meer her donnerte es. Die Blitze waren weit weg, aber der Regen
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