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Commissario Montalbano 08 - Die Passion des stillen Rächers

Commissario Montalbano 08 - Die Passion des stillen Rächers

Titel: Commissario Montalbano 08 - Die Passion des stillen Rächers
Autoren: Andrea Camilleri
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einem Fenster drang durch die angelehnten Läden ein Lichtschimmer, es war das Zimmer der Toten, wo Vater und Tochter wachten. Die Läden der einen Glastür des Salons waren geschlossen, bei der anderen waren sie angelehnt, doch auch hier drang nur schwaches Licht nach außen, weil die Deckenlampe nicht angeschaltet war.
    »Kommen Sie herein.«
    »Ich bleibe lieber draußen. Wenn es regnet, können wir ja reingehen«, sagte der Commissario.
    Sie näherten sich schweigend den hölzernen Gartenbänken und setzten sich wie beim letzten Mal. Montalbano holte seine Zigaretten hervor.
    »Möchten Sie eine?«
    »Nein, danke. Ich habe beschlossen, mit dem Rauchen aufzuhören.«
    Die Entführung hatte anscheinend beide, Onkel und Nichte, dazu gebracht, ein Gelübde abzulegen.
    »Was haben Sie mir denn so Wichtiges zu sagen?«
    »Wo sind Ihr Bruder und Susanna?«
    »Bei meiner Schwägerin.«
    Wer weiß, ob sie gelüftet haben. Womöglich erfüllte der erschreckende, unerträgliche, zähe Gestank nach Medizin und Krankheit noch immer den Raum.
    »Wissen sie, dass ich hier bin?«
    »Susanna habe ich es gesagt. Meinem Bruder nicht.«
    Was hatte man dem armen Salvatore Mistretta nicht alles verschwiegen! Würde man es ihm auch weiterhin verschweigen?
    »Nun?«
    »Ich muss etwas vorausschicken. Ich bin nicht in offizieller Funktion hier. Aber das kann ich jederzeit ändern.«
    »Ich verstehe nicht.«
    »Sie werden es verstehen. Es hängt von Ihren Antworten ab.«
    Da lag der Hund begraben. Die erste Frage war wie ein erster Schritt auf einem Weg, von dem es kein Zurück gab. Er schloss die Augen, der Doktor konnte ihn ja nicht sehen, und fing an.
    »Haben Sie einen Patienten, der in einem kleinen Haus an der Straße nach Gallotta wohnt und nach einem Traktorunfall …«
    »Ja.«
    »Kennen Sie die Klinik ›Il buon Pastore‹, die vier Kilometer von …«
    »Was sind das für Fragen? Natürlich kenne ich sie. Ich bin oft dort. Und? Wollen Sie vielleicht eine Liste meiner Patienten?«
    Nein. Keine Patientenliste. »Der Mensch ist ein Gewohnheitstier.« Nimmst du, als du in jener Nacht aufgelöst in deinem Geländewagen sitzt und dein Herz bis zum Hals klopft, als du den Helm und den Rucksack an zwei verschiedenen Stellen ablegen musst, nicht auch einen vertrauten Weg? Es kommt dir fast vor, als würdest nicht du am Steuer sitzen, als steuere vielmehr das Auto dich …
    »Ich wollte Sie nur darauf hinweisen, dass Susannas Helm in der Nähe des Weges, der zum Haus Ihres Patienten führt, und der Rucksack praktisch vor dem Tor der Buon-Pastore-Klinik gefunden wurden. Wussten Sie das?«
    »Ja.«
    Matre santa, war das ein Schnitzer! Das überstieg alle Hoffnungen.
    »Und woher wissen Sie es?«
    »Aus der Zeitung, aus dem Fernsehen, ich weiß es nicht mehr.«
    »Unmöglich. Zeitungen und Fernsehen haben nie über den Fund berichtet. Es ist uns gelungen, nichts nach außen dringen zu lassen.«
    »Warten Sie! Jetzt weiß ich es wieder! Sie haben es mir selbst gesagt, als wir hier saßen, hier auf dieser Bank!«
    »Nein, Dottore. Ich habe Ihnen gesagt, dass die Sachen gefunden wurden, aber ich habe nicht gesagt, wo. Und wissen Sie, warum nicht? Weil Sie mich nicht danach gefragt haben.«
    Das war die Unstimmigkeit, die er sich nicht gleich hatte erklären können. Eine Frage, die logisch gewesen wäre, aber nicht gestellt wurde. Die sogar dafür sorgte, dass das Gespräch stockte, wie wenn man beim Lesen eine Zeile überspringt. Livia hatte ihn doch auch gefragt, wo er das Buch von Simenon gefunden hatte! Der Doktor hatte die Frage nicht gestellt, weil er genau wusste, wo Helm und Rucksack gesteckt hatten.
    »Aber … aber Commissario! Es kann tausend Gründe dafür geben, dass ich nicht gefragt habe! Ist Ihnen eigentlich klar wie mir zumute war? Sie spinnen sich da weiß der Himmel was mit einem hauchdünnen Faden …«
    »… eines Spinnennetzes zusammen, meinen Sie? Sie wissen ja gar nicht, wie passend Ihre Metapher ist. Denken Sie nur, meine Konstruktion hing anfangs an einem noch dünneren Faden.«
    »Wenn Sie das schon zugeben …«
    »Ja. Und sie bezieht sich auf das Verhalten Ihrer Nichte. Auf etwas, was mir Francesco sagte, ihr Exfreund. Wissen Sie, dass Susanna sich von ihm getrennt hat?«
    »Ja. Sie hatte es mir schon gesagt.«
    »Ein schwieriges Thema. Ich spreche es ungern an, aber …«
    »Aber das gehört nun mal zu Ihrem Beruf.«
    »Glauben Sie etwa, wenn ich von Berufs wegen hier wäre, würde ich so mit Ihnen reden? Der Satz
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