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Commissario Montalbano 08 - Die Passion des stillen Rächers

Commissario Montalbano 08 - Die Passion des stillen Rächers

Titel: Commissario Montalbano 08 - Die Passion des stillen Rächers
Autoren: Andrea Camilleri
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Vigàta?!
    »Wo seid ihr denn? Ich komme sofort«, sagte er, ohne nachzudenken.
    »Der Weg ist ziemlich kompliziert. Wenn es Ihnen recht ist, lasse ich Sie in spätestens einer Stunde abholen. Dann brauchen Sie nicht selbst zu fahren.«
    »In Ordnung.«
    Er ging in die Küche. Livia hatte die Kaffeemaschine aufs Gas gestellt. Und jetzt breitete sie eine Tischdecke über den Küchentisch. Als sie sich vorbeugte, um sie glatt zu streichen, rutschte ihr das Hemd hoch.
    Das war zu viel für Montalbano. Er trat zwei Schritte auf sie zu und schlang von hinten die Arme um sie.
    »Spinnst du?«, sagte Livia. »Lass mich los! Was willst du denn?«
    »Rate mal.«
    »Aber du tust dir …«
    Der Kaffee stieg hoch. Niemand drehte die Flamme ab. Der Kaffee gurgelte. Die Flamme brannte weiter. Der Kaffee fing an zu kochen. Niemand kümmerte sich darum. Der Kaffee lief über und löschte die Flamme. Das Gas strömte weiter aus.
    »Riecht es nicht irgendwie komisch nach Gas?«, fragte Livia nach einer Weile matt und löste sich aus Montalbanos Umarmung.
    »Ich rieche nichts«, sagte er, denn er nahm nur den Duft ihrer Haut wahr.
    »Oh Gott!«, rief Livia und drehte rasch das Gas ab.
    Montalbano blieben knapp zwanzig Minuten zum Duschen und Rasieren. Den frisch zubereiteten Kaffee trank er im Stehen, denn es klingelte bereits an der Tür. Livia fragte nicht mal, warum und wohin er ginge. Sie hatte das Fenster geöffnet und räkelte sich mit erhobenen Armen in einem Sonnenstrahl.
    Unterwegs berichtete Gallo, was er von der Geschichte wusste. Die entführte junge Frau – denn an einer Entführung schien kein Zweifel mehr zu bestehen – hieß Susanna Mistretta, war sehr hübsch, studierte in Palermo und stand kurz vor ihrer ersten Prüfung. Sie lebte mit ihren Eltern fünf Kilometer außerhalb der Stadt in einer Villa. Dorthin fuhren sie jetzt. Susanna bereitete sich seit etwa einem Monat zusammen mit einer Freundin in Vigàta auf ihre Prüfung vor, und gegen acht Uhr abends fuhr sie immer mit ihrem Roller nach Hause.
    Als sie am Vorabend nicht nach Hause kam, hatte der Vater noch eine Stunde gewartet und dann die Freundin seiner Tochter angerufen. Susanna sei wie immer um acht losgefahren, plus/minus ein paar Minuten, sagte die Freundin. Daraufhin hatte er den jungen Mann angerufen, den seine Tochter als ihren Freund bezeichnete, doch der reagierte überrascht, denn er hatte sich mit Susanna nachmittags, bevor sie zu der Freundin fuhr, in Vigàta getroffen, und sie hatte gesagt, sie könne an dem Abend nicht mit ihm ins Kino, weil sie zu Hause noch lernen müsse.
    Da machte sich der Vater Sorgen. Er hatte schon mehrmals versucht, seine Tochter auf dem Handy zu erreichen, aber es war ausgeschaltet. Als dann bei ihm zu Hause das Telefon klingelte, ging er sofort dran, weil er dachte, Susanna riefe an. Aber es war der Bruder.
    »Susanna hat einen Bruder?«
    »Nein, sie ist Einzelkind.«
    »Wessen Bruder dann?«, fragte Montalbano ärgerlich, denn Gallo fuhr rasant und die Straße war so voller Schlaglöcher, dass nicht nur sein Kopf dröhnte, sondern auch die Wunde ziemlich schmerzte.
    Der fragliche Bruder war der Bruder des Vaters des entführten Mädchens.
    »Haben alle diese Leute auch einen Namen?«, fragte der Commissario ungeduldig und hoffte, dem Bericht besser folgen zu können, wenn er die Namen kannte.
    »Doch, natürlich, aber ich weiß sie nicht«, antwortete Gallo. Und fuhr fort:
    »Der Bruder des Vaters der Entführten ist Arzt und …«
    »Nenn ihn Onkel Doktor«, schlug Montalbano vor.
    Der Onkel Doktor hatte sich telefonisch nach der Schwägerin erkundigt. Also nach der Mutter der Entführten.
    »Wieso das? Ist sie krank?«
    »Ja, Dottore, sehr krank.«
    Der Vater hatte dem Onkel Doktor dann erzählt …
    »Nein, in dem Fall musst du ›Bruder‹ sagen.«
    Der Vater hatte seinem Bruder von Susannas Verschwinden erzählt und ihn gebeten, zu kommen und sich um die Kranke zu kümmern, damit er nach seiner Tochter suchen konnte. Der Arzt hatte viel zu tun, und so kam er erst nach elf Uhr.
    Der Vater setzte sich ins Auto und suchte ganz langsam die Straße ab, auf der Susanna normalerweise nach Hause fuhr. Im Winter war zu dieser Zeit keine Menschenseele und kaum ein Auto unterwegs. Verzweifelt fuhr er die Strecke noch einmal ab. Irgendwann hielt ein Roller neben ihm. Es war Susannas Freund, der angerufen und vom Onkel Doktor erfahren hatte, man wisse noch nichts Neues. Der junge Mann sagte dem Vater, er werde ganz Vigàta
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