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Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären

Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären

Titel: Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären
Autoren: Yasmina Khadra
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sucht meinen Blick. Er bläst mir seinen weingeschwängerten Atem ins Gesicht. »Schnupperst du wieder am Korken?«
    »Die Landluft ist auch nicht mehr, was sie mal war.«
    »Was genau ist passiert?«
    »Wir haben ihn in seinem Gemüsegarten gefunden, mit durchschnittener Kehle.«
    »Und weiß man, wer’s war?«
    »Da muß man nicht lang suchen.«
    »Warum ausgerechnet Idir?«
    »Er war zufällig da, weiter nichts. Seit ein paar Tagen wird vor einer Gruppe von Marodeuren hier in der Gegend gewarnt. Sie haben sich den Erstbesten, der ihnen über den Weg lief, geschnappt. Ihre Art, uns wissen zu lassen: Hallo! Wir sind wieder da!«
    Mohand betrachtet das glühende Ende seiner Zigarette, bevor er sie auf einem Stein ausdrückt. Der Abendwind bläst die Funken durchs Gebüsch. Wir verstummen für einen Moment und lauschen dem nächtlichen Grillengezirpe.
    »Glaubst du, sie werden wiederkommen?«
    »Die sollen nur kommen, wir sind bereit.« Wieder sucht er meinen Blick. »Wie lange wird das noch so weitergehen, dieser Mummenschanz, Brahimi?«
    »Das fragst du mich?«
    »Igidher ist nicht Algier. Hier hat man keine Zeit, das alles zu verstehen.«
    »Drüben in Algier weiß man auch nicht mehr, welchem Teufel man noch vertrauen kann. Es ist die Hölle, Mohand, ein heilloses Durcheinander, der größte Schwindel, den du dir nur vorstellen kannst.«
    Er stampft mit dem Gewehrkolben auf den Boden. »Was um alles in der Welt machen denn unsere Verantwortlichen?«
    Jetzt bin ich es, der sich zu ihm umdreht. Und was ich in seinen ausgemergelten Zügen lese, verstört mich gewaltig. Er ist verdammt alt geworden, der gute Mohand. Als ich ihn das letzte Mal sah, da hatte er kein einziges weißes Haar. Drei Jahre später, und schon auf der Schwelle zum Greisenalter. Hat mehr Falten als ein altes Pergament, und der Blick seiner Augen, der früher so packend war, brennt heute unerträglich.
    »Die Verantwortlichen? Welche Verantwortlichen? Meinst du die Komiker, die man in den Nachrichten sieht, diese hoffnungslosen Hanswürste? In unserem Land, Mohand, gibt es nichts als Schuldige und Opfer. Wenn du ein Problem hast, ist es dein Problem.«
    Meine Direktheit schockiert ihn. Er steht auf, umklammert wütend sein Gewehr und stapft mit gebeugtem Rücken davon. Ich sehe ihm nach, bis er die Piste erreicht. Ein ratloses Gespenst.
    Dann stehe ich ebenfalls auf, klopfe mir den Staub vom Hosenboden und gehe hinauf in den Patio, wo die Alten und Freunde einem gramerfüllten Arezki Beistand leisten.
     
    Gegen Mitternacht beginnt das Lamento allmählich zu verebben. Einer nach dem anderen verlassen Verwandte und Bekannte das Haus, auf leisen Sohlen, ein wenig verschämt, den Künstler in seinem Kummer allein zu lassen. Ehe Mohand sich als letzter zum Gehen anschickt, schaut er sich das zerknitterte Foto des Verblichenen, das an der Wand hängt, aus der Nähe an. Seine Mundwinkel zucken, vermutlich um seine aufsteigende Wut zu unterdrücken.
    Er wiegt den Kopf, bemerkt: »War ein zawali [armer Kerl], einer der Stillen im Lande, der sich mehr um das Wohlergehen seiner Schafe als um die eigene Krebskrankheit sorgte. Ich bin sicher, er fand es noch nicht einmal der Mühe wert, sich gegen seine Mörder zur Wehr zu setzen.«
    Ich betrachte mit ihm zusammen Idirs Porträt. Er war ein eingefleischter Junggeselle, dem nichts über seine Unabhängigkeit ging. Lebte wie ein in sich versponnener Einsiedler, der sein Glück in der heiteren Stille der Waldwiesen fand. Jetzt, da er tot ist, frage ich mich, ob er jemals wirklich existiert hat.
    Mohand schaut auf seine Armbanduhr. »Zeit für die Patrouille. Meine Männer sind bestimmt schon unruhig … Seid Ihr sicher, daß Ihr hierbleiben wollt?«
    »Gute Nacht!« rufe ich ihm zu und ziehe mir demonstrativ die Schuhe aus.
    »Gut, dann gehe ich jetzt. Ich werde drei oder vier Männer in der Nähe postieren, für den Fall, daß es diesen Irren einfallen sollte, an den Ort ihres Verbrechens zurückzukehren.«
    Ich zeige auf meine dicke Knarre. »Wir sind gewappnet.«
    Mohand nickt und zieht sich zurück, nicht ohne sorgfältig die Tür hinter sich zu schließen.
    »Versuch zu schlafen«, brumme ich Arezki zu und mache mich auf einer Strohmatte lang. Ich rücke das Kopfkissen gegen die Wand, lasse meine Faust einmal drauf niedersausen, damit es sich bequemer liegt, schiebe meine 9mm-Pistole darunter und verschränke die Hände im Nacken, so daß ich Arezki im Blickfeld habe.
    Der Bürgermeister hat uns
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