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Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären

Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären

Titel: Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären
Autoren: Yasmina Khadra
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Woraus ich schließe, daß er eine kräftige Abreibung hinter sich hat. Seine bleiche Miene verstärkt mein Unbehagen.
    Schon von weitem weist er mir mit schlaffem Gestus einen Sessel zu. Mit trockener Kehle und rauchenden Ohren nehme ich Platz.
    »Da hast du dich mächtig in die Nesseln gesetzt, Brahim!« kanzelt er mich oberlehrerhaft ab. »Und ich kenne kein Mittel, das gegen diese Brandblasen hilft.«
    Ich versuche, die Stirn zu runzeln - vergeblich. Meine Stimmbänder drohen, beim geringsten Laut zu zerreißen. Also verschränke ich nur still die Hände und warte ab, daß das Unwetter über mich hereinbricht.
    Der Direktor greift nach einem Blatt, schleudert es mir ins Gesicht. Ich fange es ab und überfliege es hastig, ohne den Inhalt recht zu begreifen.
    »Vorladung zum Großen Manitu«, klärt er mich auf. »Es spricht alles dafür, daß du dort sämtliche Federn lassen wirst.«
    Ich schlucke krampfhaft.
    Er fügt vorwurfsvoll hinzu: »Du bist stur wie ein Maulesel, Kommissar. Ich habe dich oft genug gewarnt.«
    »War es das?«
    »Reicht dir das nicht?«
    Ich lege das Papier auf den Schreibtisch zurück und stehe auf. Er steht ebenfalls auf, bringt mich zur Tür. Dort faßt er mich bei der Schulter und vertraut mir an: »Ich weiß zwar nicht, wie weit mein Einfluß reicht, aber ich möchte, daß du weißt, daß ich meine Leute nicht so einfach fallenlasse.«
    Ich nicke und entferne mich im Gefühl, einen Weg mit ungewissem Ausgang anzutreten, auf dem ich mich auf Schritt und Tritt ein Stückchen mehr auflöse.
     
    3
     
    Sobald man sich in Algier hinter seinem Schreibtisch hervor- oder aus seinem Loch herauswagt, ist man in Feindesland. Man versuche bloß nicht, beim Taxifahrer auf Mitleid zu machen, dem Schalterbeamten ein freundliches Wort zu entlocken, das Mitgefühl des Pförtners zu wecken - es ist schon ein Wunder, wenn er einen überhaupt zur Kenntnis nimmt. Wo immer man sich mit seinem Weltschmerz blicken läßt, man fühlt sich wie ein Aussätziger. Nirgendwo zeigt sich Entgegenkommen. Nirgends wird einem ein aufmunterndes Lächeln zuteil. Stattdessen wird man überall kurz abgefertigt, abgewürgt und angeschnauzt, daß einem alsbald das Herz in die Hose sinkt und man sich mit der Zeit daran gewöhnt, seine Würde an der Garderobe abzugeben und seinen Stolz auf der Fußmatte abzulegen, denn dort, wohin es einen verschlagen hat, sollte man sich gefälligst ducken.
    Als jemand, der diese Spielchen kennt, lasse ich, kaum habe ich den Vorraum der Delegation betreten, mit stoischem Gleichmut die Arroganz der Türsteher, das Mißtrauen der Sicherheitsdienstler, die Verachtung der Unter-Unter-Untergebenen über mich ergehen.
    Nachdem sie mich gründlich durchgecheckt haben, schubsen sie mich in eine Art Verlies und überlassen mich stundenlang mir selbst, ohne eine Tasse Kaffee, ohne jeden Kommentar. Nicht einmal einen Aschenbecher gibt es, um sich wenigstens am Glimmstengel festzuhalten. Der Verschlag ist gerade mal zwei Quadratmeter groß, trübselig, grau, mit niedriger Decke und fensterlos: ideal, um bei einem Tier einen Koller auszulösen, bis es vor Erschöpfung tot zusammenbricht.
    Der Herr Kabinettsdirektor entsinnt sich erst dann meines Martyriums, als ich schon anfange, wie ein Ragout in meiner Nachtwächterjacke vor mich hin zu schmoren.
    »Hier entlang, Monsieur Llob«, bittet mich ein Sekretär mit der zuvorkommenden Höflichkeit des Scharfrichters, der dem Schelm den Weg zum Schafott weist.
    Eine turmhohe Tür geht auf und gibt den Blick frei auf einen riesigen Saal, der nur so starrt vor Trophäen, Wappen und Monumentalgemälden. Eine Falltür, unter der mein Verderben klafft. So kommt mir das vor. Fast hätte ich mir den Knöchel auf dem Teppich verstaucht. Nicht wegen der gestampften Erde, die ich tagaus tagein unter meinen Füßen habe, sondern einfach, weil ich mich niemals an die sumpfigen Gefilde in dieser Höhenlage werde gewöhnen können.
    Monsieur Slimane Houbel thront inmitten seiner Kommandozentrale, umgeben von Telefonschnickschnack, Glückwunschkarten und angeberischen Aktenbergen - man muß die Besucher doch glauben machen, daß ein hoher Beamter bis zum Hals in Arbeit versinkt und nicht so hopplahopp wieder daraus auftauchen kann.
    Er lockert seinen Krawattenknoten, breitet seine Geierflügel aus und versinkt für einen Moment in Meditation - ein Gott, der nicht versteht, warum die Welt, die er geschaffen hat, ihm plötzlich entgleitet.
    Mit mir ist gar nichts los. Immer,
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