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Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären

Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären

Titel: Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären
Autoren: Yasmina Khadra
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sagen es.«
    Er merkt, daß ich anfange, die Situation in den Griff zu kriegen, und ist eine Spur verunsichert. Er weicht meinem Blick aus und klopft auf das Buch: »Was soll dieser Mist?«
    »Das ist kein Mist!«
    »Und ob! Ein Riesenmist sogar, mit sämtlichen Ingredienzien: Schamlosigkeit, Dämlichkeit …«
    »Ich schulde Ihnen Rechenschaft als Polizist, nicht als Schriftsteller.«
    »Schweigen Sie!«
    Einen Millimeter näher heran, und sein Gesabber wäre mir voll ins Auge gespritzt.
    Ich habe die Kanonen der Artillerie donnern hören, doch Slimane Houbels Gebrüll ist weit eindrucksvoller: Er verfügt über die Abschreckungsgewalt des Amtsmißbrauchs.
    Er schnäubt sich geräuschvoll, um seine Wut einzudämmen. Seine Augen springen gleich auf mich los: »Ich erinnere Sie daran, daß Sie Staatsbeamter sind und sich folglich eine gewisse Zurückhaltung auferlegen sollten. Wir haben Ihnen bislang erlaubt, Ihre Eseleien zu veröffentlichen, doch wir sind nicht bereit, Verirrungen solchen Ausmaßes hinzunehmen. Sie sind zu weit gegangen. Sie haben sich viele Leute zu Feinden gemacht. Niemand wäre jetzt gern an Ihrer Stelle, nicht um allen Dichterlorbeer der Welt.«
    Er ist widerwärtig puterrot angelaufen.
    »Ihr Machwerk ist schändlich, einfach abscheulich. Ich habe schon immer gewußt, daß Sie bloß ein abgedrehter Phrasendrescher sind, ein übereifriger Schreiberling, aber wie hätte ich ahnen können, daß Sie sich zu solchem Schwachsinn versteigen …! Ich bin überzeugt, daß Sie sich in Ihrer Naivität nicht einmal der Tragweite Ihrer Phantastereien bewußt sind.«
    Weißschäumender Schleim breitet sich in seinen Mundwinkeln aus, und sein stinkender Atem kriecht bis in den letzten Winkel des Raumes.
    »Daß Sie ein unfähiger, frustrierter Griesgram sind, gibt Ihnen noch lange nicht das Recht, Ihre Vorgesetzten zu verleumden und Ihr Land in den Schmutz zu ziehen. Sie in Ihrer Position sollten schließlich Schwarz und Weiß unterscheiden können. Natürlich kommt es vor, daß wir Fehler machen, aber doch aus Versehen, nicht aus Prinzip. Algerien ist nicht ganz im Lot. Aber wenn es hier und da ins Straucheln gerät, heißt das doch nicht, daß es völlig ins Schleudern kommt. Es ist das Schicksal junger Nationen wie der unseren, die ihren Weg suchen, Rückschläge zu erleben, Mißgriffe zu tun. Aus seinen Fehlern kann man nur lernen. Auf diesem Weg sind die Großmächte zu dem geworden, was sie heute sind. Ihr Verdienst liegt darin, daß sie stark genug waren, Widrigkeiten in den Griff zu bekommen, das Beste daraus zu machen …«
    Das Problem mit den Erbauern von Totempfählen liegt darin, daß sie felsenfest glauben, sie könnten mit einem einzigen Baumstamm den ganzen Wald verdecken und gleichzeitig noch die Wilddiebe abschrecken.
    »Monsieur …«
    »Schweigen Sie! Sie haben weder das Zeug zum Märtyrer noch sind Sie aus dem Stoff, aus dem die Helden sind, Kommissar. Sie sind nicht einmal so lächerlich wie Ihre eigenen Figuren. Wenn Sie der Meinung sind, wir würden eine klägliche Gestalt abgeben, dann flößen Sie uns doch ein wenig von Ihrer aufrechten Gesinnung ein, vielleicht hilft uns das auf die Beine und wieder in die Gänge. Unser Volk ist erschöpft, enttäuscht, orientierungslos. Es gefiele uns gar nicht, wenn unsere Elite nur aus Schwarzsehern bestünde. Was wir brauchen, ist ein guter Stern, an den wir glauben, in dessen Licht wir unseren Weg gehen können. Miesmacherei ist nicht das, was uns derzeit begeistert. Das Stimmungsbarometer verlangt nach anderem.«
    Plötzlich merkt er, daß sich mein Buch in seinen Händen schon halb aufgelöst hat, wackelt mit dem Haupt, wie das ein Sultan angesichts seiner undankbaren Eunuchen tut und fällt plötzlich in sich zusammen: »Es schmerzt mich für Sie, Kommissar … Monsieur le Delegue hat mich auch noch beauftragt, Sie in Kenntnis zu setzen, daß Sie sich ab heute im vorgezogenen Ruhestand befinden … Und jetzt gehen Sie mir aus den Augen.«
    Ein schizophrener Chef rechtfertigt noch lange keinen Aufstand, und so schlage ich die Hacken zusammen, mache auf dem Absatz kehrt und schicke mich an zu gehen.
    »Kommissar!«
    Ich wende mich um.
    Er drückt mir den Finger aufs Brustbein: »Da gibt’s ein Sprichwort: Willst du voran, zieh nicht zu großes Schuhwerk an.«
    »Stammt von mir.«
    Er macht ein Gesicht, als wäre ich ihm auf den kleinen Zeh getreten.
     
    4
     
    Ich war schon auf der Rue Larbi Ben M’hidi angelangt, als mir einfiel, daß ich
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