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Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären

Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären

Titel: Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären
Autoren: Yasmina Khadra
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gar nicht.«
    Da Achour schiebt seinen Hut definitiv hoch und rappelt sich mühsam auf, um mir von Angesicht zu Angesicht zu erklären: »Ein Dichter macht keine Dummheiten. Ein Dichter deckt die Dummheiten der anderen auf. Ist doch logisch, daß das nicht jeden begeistert. Ich habe dein Buch gelesen. Es ist der Mühe wert, glaub mir.«
    »Sie haben mich einfach abserviert. Nach fünfunddreißig Jahren, in denen ich mich täglich mit diesen Idioten habe herumschlagen müssen. Nach fünfunddreißig Jahren, in denen ich mich grün und blau geärgert habe, in denen ich felsenfest an Recht und Ordnung geglaubt habe, an das Vorhandensein von Prinzipien, an Loyalität - allen Lügen, aller Demagogie, allen schmutzigen Machenschaften zum Trotz. Ich wollte mich schon längst pensionieren lassen, da kam mir dieser bekloppte Krieg in die Quere. Ich dachte, der brave Mann verläßt sein Schiff nicht, wenn es zu kentern droht, er versucht alles, um den Mast wieder aufzurichten. Und dann, eines Morgens, zeigen sie dir den Hinterausgang und verlangen von dir, die Fliege zu machen, ohne jede Vorwarnung …«
    »Denn sie wissen nicht, was sie tun. Die Welt wird immer prosaischer. Die schlichten Freuden von einst, die Freude am Schönen, das ist heute aus der Mode gekommen. Das einzige Drama, das man kennt, ist das Drama des Mißerfolgs, der einzige Glaube, der noch gilt, der Glaube ans Investment. Der Mensch hat anstelle eines Gewissens nur noch eine fixe Idee: Money Money Money … Er ist überzeugt, daß die Grundwerte allein von einem abhängen: dem Börsenbarometer. Daher bewegt der Tod eines Gelehrten, der Brand einer Bibliothek oder der Mord an einem Künstler die Herzen sehr viel weniger als eine unprofitable Geldanlage.«
    »Wenn ich dich recht verstehe, soll ich jetzt wohl auch diesen Kurs einschlagen.«
    »Ganz und gar nicht. Genau hier trittst du ja auf den Plan.«
    »Als Spielverderber …«
    »Der Dichter ist kein Brandstifter, doch sein Kummer wirkt wie eine Katharsis. Dein Buch sagt die Wahrheit. Das zählt mehr als alles andere. Der ganze Rest: der Ärger, den du hast, die Anwürfe und Drohungen, kurz, das ganze wilde Gefuchtel, das du auslöst, das darf dich nicht einschüchtern. Dieser grauenhafte Krieg hat zumindest ein Gutes: Er reißt uns die Maske vom Gesicht. Erst vor uns selbst, dann vor der Welt. Jeder suhlt sich in seinem Element. Die Demagogen geifern vor Eifer, die Intriganten werfen alle Hemmungen über Bord, und die Aasgeier müssen nicht mehr so tun, als stamme das Fleisch ihrer Brüder, über die sie herfallen, vom Metzger. Die Monster, die in uns geschlafen haben, stolzieren schamlos vor aller Augen einher. Und über diesem ganzen stinkenden Morast, da schwebst du. Wie ein Gott, der seine Welt überblickt, es ist fabelhaft. Hättest du nicht gewagt, deine Wut und deinen Abscheu laut hinauszuschreien, hättest du dich geduckt, damit diese Mistkerle ungestraft ihre Phantasien ausleben können, wäre ich furchtbar enttäuscht gewesen.«
    Plötzlich verfärben sich seine Hängebacken feuerrot.
    »Hör auf, wie ein getretener Hund dreinzuschauen, Brahim, und zwar sofort. Oder kannst du mir unter den Tausenden von Opfern, mit denen die Wege unseres Wahnsinns gepflastert sind, auch nur eines nennen, das es verdient hätte, wie ein Tier abgeschlachtet zu werden? Kannst du mir in der ganzen Horde gottloser Kannibalen auch nur einen zeigen, der es wert wäre, daß man ihm verzeiht? Du hast dir nichts vorzuwerfen. Sie haben dich vor die Tür gesetzt, na und? Tausend andere Türen stehen dir offen, und meine zuallererst. Du hast deine Pflicht gewissenhaft erfüllt. Du warst erfolgreich! Diese Hurensöhne wissen das, deshalb zittern sie jetzt. Sie hielten sich für gerissener, sie dachten, es wäre ihnen das perfekte Verbrechen gelungen. Aber das Böse ist nie vollkommen. Vollkommenheit gibt es nur im Zusammenhang mit der Gerechtigkeit.«
    Er unterbricht sich, ist völlig atemlos, sinkt mit hervortretenden Augen und schäumenden Lippen in seinen Korbstuhl zurück. Während sein Bauch sich heftig hebt und senkt, verliert sein Blick sich zwischen den Schaumkronen im Meer. Ich nehme weder das Kindergeschrei noch das Klatschen der Wellen wahr; ich höre allein das Quietschen des Schaukelstuhls, der aufs neue zu schwingen begonnen hat. Zwei Minuten schwebe ich in einer Luftblase, als hätte mir einer einen Schlag in den Nacken verpaßt, dann spüre ich wieder Bodenhaftung, unbestimmt erleichtert durch Da Achours
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