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Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären

Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären

Titel: Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären
Autoren: Yasmina Khadra
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kommt es dadurch zu einer interessanten Verknüpfung zwischen roman noir und roman á suspense. Letzterer zeichnet sich dadurch aus, daß die Handlung aus der Perspektive des bedrohten Opfers erzählt wird. Damit setzt der Autor die undurchsichtigen Verhältnisse, die den Algerienkonflikt charakterisieren, auf der Ebene der Gattung um.
    Der Kriminalroman bietet sich auch auf ästhetischer Ebene für die Darstellung des blutigen Konflikts an und ermöglicht dem Autor, »Bilder« von den Ereignissen in Algerien zu vermitteln, die normalerweise nicht an die Öffentlichkeit dringen. Der schnelle Rhythmus, die kurzen Sätze und knappen Beschreibungen, der effiziente und oft nervöse Stil, typisch für den roman noir ganz allgemein, erinnern an Momentaufnahmen, die Kriegsberichterstatter oft im Verborgenen und in aller Eile machen müssen. Wie die Bilder eines Fotografen, der keine Zeit hat, lange zu überlegen und auf dem Objekt zu verweilen, bevor er auf den Auslöser drückt, so präsentieren sich auch die Momentaufnahmen der kriegerischen Auseinandersetzungen in Algerien bei Yasmina Khadra. Die knappen aber äußerst präzisen Beschreibungen von Anschlägen und Opfern, die literarischen »Bilder« machen den Konflikt »sichtbar«. Das hat nichts mit Voyeurismus oder Sensationslust zu tun, vielmehr geht es dem Autor um eine möglichst authentische Darstellung: »Mes romans sont durs á l’image de la realite algerienne. Je rends compte d’une tragedie. Une tragedie insoutenable. - Meine Romane sind hart, weil das der algerischen Realität entspricht. Ich lege Rechenschaft ab über eine Tragödie, die unerträglich ist«, sagt Yasmina Khadra im Anhang zur deutschen Ausgabe Doppelweiß. Indem der Autor jene »Bilder« des Krieges in Algerien in seine Romane einfügt, die der Öffentlichkeit vorenthalten werden, trägt er dazu bei, daß dieser Konflikt auch von den nicht unmittelbar Betroffenen wahrgenommen wird und daß dieser Krisenherd auch außerhalb Algeriens in den Köpfen der Menschen Gestalt annimmt und zu existieren beginnt.
    Der Suche nach der »Wahrheit«, die das Genre des Kriminalromans charakterisiert, kommt in Zusammenhang mit der Algerienkrise eine besondere Bedeutung zu. So geht es Yasmina Khadra nicht vorrangig darum, Mordfälle und Verbrechen aufzuklären; vielmehr stehen der blutige Konflikt und seine Hintergründe im Zentrum der Untersuchungen, die Commissaire Llob, der brummige, aber sensible Protagonist der Serie, dessen Name auf Arabisch soviel bedeutet wie »harter Kern, weiches Herz«, durchführt. Diesem Auftrag kommt Brahim Llob in einer Doppelrolle nach, nämlich als Kriminalbeamter und als Schriftsteller. Der Ich-Erzähler Llob wird als gefeierter Autor präsentiert, der aber in Herbst der Chimären wegen der Veröffentlichung von Morituri vorübergehend vom Polizeidienst suspendiert wird. Dieses selbstreflexive Spiel gibt dem realen Autor die Möglichkeit, die Aufnahme seiner Romane in Algerien zu kommentieren und durch die Einbindung kritischer Stellungnahmen den Zündstoff, den die Romantrilogie enthält, herauszustreichen. Es gab ihm zum Zeitpunkt des Erscheinens der Romane in Frankreich aber auch Gelegenheit, auf die Gefahren aufmerksam zu machen, denen er sich selbst als schreibender Offizier ausgesetzt hatte.
    Je undurchdringlicher die Lage und je aussichtsloser die Ermittlungen für Llob als Kommissar werden, um so mehr Raum nehmen die kritischen Stellungnahmen des Schriftstellers Llob in den Romanen ein. Wenn im Herbst der Chimären nicht nur der Kommissar, sondern auch der Autor Llob scheitert, wird auf sehr eindringliche Art deutlich, daß es in Algerien keinen Platz für kompromißlose Idealisten und auch kaum Aussicht auf ein Ende des Konflikts gibt.
    Diese Hoffnungslosigkeit spiegelt sich in Herbst der Chimären auch in der Wahl der Handlungsschauplätze wider. Während sich die blutigen Auseinandersetzungen in den vorhergehenden Romanen auf die Hauptstadt Algier beschränken, spielen sich die Kämpfe im dritten Band auch im Hinterland ab. Dieser für den Kriminalroman untypische Handlungsschauplatz fern von der Hauptstadt gibt ebenfalls Aufschluß über die drastische Situation in Algerien und die Einschätzung der Lage. Während im Kriminalroman das Verbrechen normalerweise die Stadt aus den Fugen geraten läßt, bleibt das Hinterland von den Missetätern für gewöhnlich verschont und bietet dem Ermittler einen Ort, an den er fliehen kann, um klare Gedanken zu fassen. Ein
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