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Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären

Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären

Titel: Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären
Autoren: Yasmina Khadra
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Er war erfolgreich. Er ist mit sich und seinem Gewissen im reinen, und das, das können leider Gottes nicht viele unter uns von sich behaupten … Was soll man sagen über einen Mann, der eine Laufbahn als Ordnungshüter angetreten hat, um tatsächlich ein Hüter der Ordnung zu sein, der mit aller Kraft an Recht und Gerechtigkeit geglaubt und schwer geschuftet hat, um ihr würdiger Diener zu sein, während andere sie schamlos für sich selbst zurechtbogen, der elementarsten Regeln von Anstand und Sitte spottend? Nichts. Man sagt nichts. Man schweigt und schaut zu. Das Schamgefühl verlangt, daß man vor so viel aufrechtem Sinn verstummt. Vor allem, wenn er einem selber abgeht.«
    Er dreht sich zu mir um, sieht mich eindringlich an. Seine Augen glänzen, die Blätter in seiner Hand sind völlig zerknüllt:
    »Brahim, mein Freund, falls es überhaupt jemanden gibt, der es verdient hat, Polizist zu sein, mit einem P, das so hoch wie eine Säule ist, dann du.«
    Der hintere Teil vom Saal erbebt in einer ohrenbetäubenden Ovation. Die Euphorie setzt sich nach und nach bis in die vorderen Reihen fort, überschwemmt zuletzt die Tribüne. Einer der Buddhas steht plötzlich auf und klatscht so ungestüm Beifall, daß er sich fast die Handflächen wundreibt. Reihe für Reihe erhebt sich der Saal in schallendem Gejohle. Lino pufft Ewegh in die Seite, um ihn aufzuwecken, und zwinkert mir zu. Bayas Jubeltriller spritzen hoch auf wie Wasserstrahlen. Der Direktor kommt mir mit weitgeöffneten Armen entgegen, und das trotz der vergrätzten Miene von Mourad Smai’l. Ich erhebe mich, um mich mit ihm ins Getümmel zu stürzen.
    »Vielen Dank«, stammle ich. »Ich bin zutiefst gerührt.«
     
    Nach der Zeremonie wollen Leutnant Chater und sein Ninja-Trupp [algerische Spezialeinheit zur Terroristenbekämpfung] unbedingt Erinnerungsfotos mit mir im Hof der Zentrale schießen. Andere Weggefährten kommen hinzu, um mich zu beglückwünschen und moralisch aufzurüsten. Capitaine Berrah von der Geheimdienstzentrale, der den Höhepunkt des Spektakels aufgrund einer technischen Panne verpaßt hat, stößt dazu, als ich mich gerade verabschieden will. Sein Rochengesicht hat er hinter einer Sonnenbrille versteckt, was mich ungemein beruhigt. Eweghs Ausrutscher [siehe die Szene in »Doppelweiß«, in der Ewegh den Geheimdienstoffzier Berrah zusammenschlägt] ist dabei, sich in eine halb vergessene falsche Bewegung zu verwandeln, denn die Plattnase nimmt langsam wieder Gestalt an. Er läßt sich sogar fotografieren, erst mit mir, dann zwischen Lino und den Targi geklemmt, wodurch ein sinnloses Ressentiment begraben wird. Inspektor Bliss nähert sich schüchtern lächelnd auf Zehenspitzen. Er wartet geduldig, bis der Fotograf seine Utensilien verstaut hat, dann baut er sich vor mir auf. Seine Nagetierhand betastet einen Sticker in den algerischen Nationalfarben, den er am Jackettkragen trägt.
    »Ich frage mich bloß, an wem ich mich jetzt schadlos halten soll, wo du mir zwischen den Fingern durchflutschst, Kommissar.«
    Es ist das erste Mal, daß er mich Kommissar nennt. Er ist sichtlich bewegt. »Dich habe ich lieber als jeden anderen verpfiffen«, schiebt er mit belegter Stimme nach. Er löst den Sticker mit flatternder Hand vom Revers und steckt ihn mir an die Brust. »Hat mir mein Sohn an einem 5. Juli geschenkt. Heute schenke ich ihn dir. Ich nehme nicht den ersten Platz in deinem Herzen ein. Ich werde mich mit einem Quadratzentimeter auf deiner Jacke begnügen. Mehr braucht’s nicht, um mich glücklich zu machen, glaub mir.«
    Er legt mir die Hände auf die Schultern, küßt mich flüchtig. »Wirst mir fehlen.« Und macht sich aus dem Staub, unfähig, seine Rührung zu unterdrücken.
    Während er sich betrübt seinen Weg durch die Menge bahnt, frage ich mich, ob Feindschaft letztlich vielleicht nur auf einem banalen Mißverständnis beruht, einem fatalen Kommunikationsproblem.
    Lino schlägt vor, im Rimmel weiterzufeiern, einem schicken Restaurant an der Küste. Ich erkläre ihm, daß mir sehr viel mehr danach zumute ist, mich einfach treiben zu lassen. Es ist ein prachtvoller Tag, und es täte mir gut, eine Weile Zwiesprache mit meinem Schatten zu halten. Er dringt nicht weiter in mich und verspricht, gegen Abend bei mir vorbeizuschauen.
    »Versuch dich nicht schon vorher zu besaufen.«
    »Werde tun, was ich kann …«
     
    Ich habe mich durch eine kleine im Efeu versteckte Tür abgesetzt, meinen Wagen vom Parkplatz geholt und bin den
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