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Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären

Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären

Titel: Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären
Autoren: Yasmina Khadra
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teuer ist.
    Leicht zurückversetzt, auf seinem Nachbeterplatz, benimmt sich Hedi Salem wie ein Abklatsch vom Boß. Niest, wenn dieser sich schneuzt, kratzt sich wie er am Hals und paßt andächtig auf, daß keine seiner Gesten oder Taten jene des Monsterwesens vor ihm verfälscht oder übertrifft.
    Omar Rih weist mir einen Stuhl am Ende der Reihe zu. Der Direx streckt unterm Tisch seine Hand zu mir vor, um mich freundschaftlich zu tätscheln. Wer glücklich leben will, muß versteckt leben. Der Direx versteckt sich, um zu überdauern.
    Mourad Smai’l säuft ein Glas Mineralwasser leer, während Hedi Salem hinter ihm wie ein Karpfen schluckt, und schnippt zweimal kurz gegen das Mikro. Der Lärmpegel sinkt. Wer vorn sitzt, wendet den Hals und bittet die Hintermänner, die Klappe zu halten. Endlich Schweigen im Saal. Eine Fliege beginnt in der Stille zu surren.
    »Na schön!« dröhnt Mourad Smai’l los. »Trompeten und Fanfaren sind nicht meine Sache, Lobgesänge auch nicht. Ich mache aus meinem Herzen keine Mördergrube. Ich sage es, wie es ist: ich bin enttäuscht!«
    Ringsum schütteln die Buddhas bekümmert ihre Häupter.
    »Es ist mir ausgesprochen unangenehm, einem Kollegen in einem Moment Adieu zu sagen, wo die angespannte Sicherheitslage die Mobilisation sämtlicher Kräfte verlangt.«
    Hier und da unterdrücktes Murren im Saal, das sich schnell im empörten »Psst!« der ersten Reihen verliert. Mourad Smai’l betupft sich die Lippen mit einem Papiertaschentuch und läßt sein Auge drohend über den Herd des Aufruhrs schweifen. Langsam kehrt wieder Ruhe ein. Und die Fliege dazu.
    »Ich bin kein Diplomat!« donnert er los. »Meine Schule war die der Härte und Unbeugsamkeit. Das hinterläßt Folgen, doch es schmiedet einen Mann. Ich bin so einer!« stellt er klar und spaltet mit unsichtbarem Säbel die Luft.
    In den vorderen Reihen werden die Kehlen trocken und die Hälse rutschen zwischen die Schulterblätter.
    »Wer vom fahrenden Zug springt, riskiert, einen Teil seines Gesichts auf dem Schotter zu lassen. Kommissar Llob weiß das. Deshalb erwartet er von mir auch kein Lob.«
    Ich bin entgeistert.
    Was am meisten an diesem krankhaft anmaßenden Fettkloß verblüfft, ist nicht die unglaubliche Autorität, die er verströmt, auch nicht die entwaffnende Selbstsicherheit, die er seiner Baraka verdankt, der Aura göttlichen Schutzes, die Menschenfresser seines Formats in der Regel umgibt; was am stärksten frappiert, ist sein Gesicht, das nie den leisesten Zweifel, den leisesten Ausdruck von Bedauern verrät, eine Physiognomie, die einem Totem gleicht, ein Katalysatorengesicht, in dem die Kräfte des Bösen und das krankhafte Bedürfnis es auszuüben zusammenkommen, als ob die einzige Art der Selbstinszenierung darin bestünde, seine Umwelt in Angst und Schrecken zu versetzen, bevor man sie unter einem Schwall ätzender Spucke in Nichts auflöst.
    »Kommissar Llob verläßt uns. Das ist bedauerlich. Aber es ist nicht der Weltuntergang. Algerien kennt keine Wechseljahre. Glücklicherweise und Gottseidank.«
    Er hält kurz inne, verjagt eine Fliege, boykottiert sein Wasserglas. Ihm gegenüber schweißnasse Stirnen, fliehende Blicke.
    »Es liegt mir fern, näher auf seine Laufbahn einzugehen. Wir werden dafür bezahlt, daß wir unsere Arbeit tun. Kein Mensch erwartet von uns Barmherzigkeit. Ich schätze, ein jeder weiß, was er tut. Jeder ist selbst verantwortlich. Vor seinen Kollegen und vor der Geschichte. Das Vaterland wird die Seinen schon erkennen … Ich nutze die Gelegenheit, die mir unsere kleine Zusammenkunft bietet, um alle, die dazu neigen, es zu vergessen, daran zu erinnern, daß der Krieg nicht vorüber ist und daß man die Chancen, ihn zu gewinnen, nicht dadurch vergrößert, daß man sich aus dem Staub macht …«
    Die Buddha-Riege wiegt fromm das Haupt.
    »Der Kommissar ist keine zwanzig mehr. Da ist er übrigens nicht der einzige. Er hat es für richtig gehalten, sich aus dem Rennen zurückzuziehen. Das ist sein gutes Recht. Er wird seine Gründe haben, andere mögen finden, er sei im Unrecht. Im einen Fall wie im anderen betrifft es, trifft es nur ihn … Glück kann ich ihm abschließend keines wünschen. Seinem Glück hat er gerade einen Tritt gegeben. Ich wünsche ihm viel Mut, denn die Pension ist kein leichter Job für einen, der jede Menge Gespenster hinter sich herschleift …«
    Er nimmt einen Schluck Wasser und sagt: »Monsieur Menouar, Sie sind an der Reihe. Und bitte machen Sie es
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