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Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären

Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären

Titel: Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären
Autoren: Yasmina Khadra
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uns landet ein Sperlingspärchen, vergnügt sich ein Weilchen am Fuß eines Baums und schwingt sich dann in schwindelerregenden Spiralen in den Himmel hinauf.
    Lino räuspert sich, zaudert noch ein wenig, dann bricht es aus ihm heraus: »Ewegh hat mir eine phantastische Nachricht überbracht … Ich hoffe, du hast nicht gerade alles wieder kaputtgemacht.«
    »Tut mir leid.«
    Er wirft den Kopf in den Nacken. Am strahlend blauen Himmel spielen die zwei Spatzen Fangen, trennen sich, verfolgen einander und finden im gleißenden Licht des Tages wieder zusammen. Lino sitzt mit verkniffenen Lippen da. Nach einem endlosen Schweigen sagt er schluckend: »Ich habe es ja geahnt. Wenn einer mehr Stolz als gesunden Menschenverstand hat …«
    »Für beides gibt es in diesem Land keine Verwendung mehr.«
    Sein Blick schweift hoch zum Wipfel der Platane, über die Umfassungsmauern, hin zu den Genesenden, die über die verbrannte Erde schlendern. Er ballt die Faust. Ein paar Tische weiter dudelt hawzi-Musik [Algerische Musikrichtung, die aus dem klassischen und volkstümlichen Repertoire gleichzeitig schöpft] aus dem Transistor und füllt die Luft mit schwerer Melancholie.
    »Deine Entscheidung ist … unwiderruflich?«
    »Das ist keine Kurzschlußhandlung, Lino. Ich habe es mir reiflich überlegt, Für und Wider sorgsam gegeneinander abgewogen, alles bis ins Detail durchdacht .«
    Seine Faust knallt auf die Lehne nieder. »Scheiße! Das wird der reinste Saftladen …«
    »So darfst du nicht reden. Die Guten gehen, die Besseren rücken nach …«
    »Jetzt redest du schon wie diese Idioten von Abgeordneten.«
    »Hör doch …«
    »Stop! Bitte mach’s nicht noch schlimmer. Das war doch schon dein letztes Wort. Es reicht, glaub mir.«
    »Lino …«
    »Was Lino? Du mußt dich nicht rechtfertigen. Du hast beschlossen auszusteigen, bitte, das ist dein gutes Recht. Was auch immer du jetzt noch sagst, es wäre pure Heuchelei. Und außerdem, wer bin ich denn, um dich zur Rechenschaft zu ziehen? Wer bin ich schon, kannst du mir das mal sagen? Du hast deine Gründe, ist doch klar. Du bist frei zu handeln, wie es dir beliebt. Allerdings wäre es angebrachter, wenn du sie für dich behieltest, deine guten Gründe, findest du nicht? Es wäre anständiger, angemessener … Die anderen, was geht die das denn an? Die anderen, die können dich mal.«
    Er schiebt sich die Krücke unter die Achsel, lehnt schroff jede Hilfe ab und steht auf. Seine Lippen beben. Er merkt, daß Worte seinem Groll nicht gerecht werden können und verzichtet darauf, mir noch weiter welche entgegenzuschleudern. Er zürnt mir so sehr, daß er so tut, als hätte er die Schweizer Schokolade vergessen, die ich extra für ihn gekauft habe. Er dreht sich nicht einmal um, während er sich immer weiter entfernt, einem großen Portal hinten im Hof entgegen.
     
    14
     
    Alle sind sie gekommen: die Freunde und Sympathisanten, die Orthodoxen und die Protestler … Sie stehen dichtgedrängt, um sich einen Logenplatz zu sichern, die einen, weil es was zu gaffen gibt, die anderen, um denen, die nicht da sind, was voraus zu haben. Der große Konferenzsaal im Untergeschoß der Zentrale ist brechend voll. Es ist ein historischer Augenblick. Sie werden dabeisein, wenn man eine Legende entmystizifiert, ein freches Mundwerk stopft, einen taktlosen und rettungslos rückfälligen Polizeikommissar endlich aus dem Dienst entläßt. [Die meisten der im folgenden erwähnten Personen, Gegner oder Freunde von Llob, spielen in »Morituri« und/oder »Doppelweiß« eine Rolle.]
    Sogar Haj Garne ist da. Hat ihn Überwindung gekostet, sich seinem Serail der Lesben und Schwuchteln zu entziehen, aber gekommen ist er. Um nichts in der Welt würde er das verpassen wollen. Hämisch leckt er sich sein fransiges Maul, fährt wieder und wieder mit seiner belegten Zunge darüber, um sein Aspiklächeln zu schmieren. Er fühlt sich wie im Himmel: Eine reife Leistung für einen alten Faun, der sich im allgemeinen in den stinkenden Abgründen der Gosse suhlt.
    Gleich neben ihm Sofiane Malek, der nur so schlottert vor Glück. Das liebe Miststück, Ghouls vergötterter Neffe, ein kultivierter Paranoiker, der an der Insulinnadel hängt und unentwegt eine Krawatte lockert, die nur in seiner Phantasie existiert, seit er als junger Spund wegen eines altersschwachen Lüsters einen Selbstmord verpatzt hat. Auch er ist gekommen, um mit eigenen Augen die offizielle Amtsenthebung des in der Stadt am meisten verschrienen
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