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Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären

Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären

Titel: Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären
Autoren: Yasmina Khadra
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Vaters. Es war ein magischer Moment, von höchster Intensität. In ihren weißen Schleier gepfercht und von meinen dreisten Blicken verschreckt, suchte sie mich mit ihrem Blick in die Schranken zu weisen, wie es sich für Töchter aus besserem Hause geziemt. Aber Mina hatte keinen Blick, sondern riesengroße Augen, die mich rettungslos verzauberten. Seither sehe ich immerzu diese Augen vor mir, wenn die Sonne aufgeht, wenn sich ein hinreißender Anblick auftut, diese Augen, die so schön sind, daß ich mich von ihnen überzeugen ließ, daß die Liebe zu einer einzigen Frau alle Liebe der Welt umfaßt.
    Und heute, was blieb vom Algier jener Tage übrig? Die Geschichte wird von der Tragödie Algeriens die Erinnerung an den Irrweg eines Volkes bewahren, das wie unter Zwang stets dem falschen Guru nachlief, und die Erinnerung an eine Affenhorde, welche, die Gunst der Stunde nutzend, sich mangels Stammbaum auf Brotbäume und Galgen spezialisierte. In einem Land, mit dem sich alles machen ließ - nur kein Staat.
     
    Es ist zwanzig Uhr zehn, als Leutnant Lino in der Rue des Freres-Mostefa eintrifft. Die Gehwege sind schwarz vor Menschen. Lichter von Polizeiautos kreisen langsam durch die Nacht, lassen ihren bläulichen Schein über die Fassaden huschen. Von den Balkonen herab beobachten die Familien in unerträglichem Schweigen das Treiben auf der Straße.
    »Was ist denn jetzt schon wieder los?« brummt Lino und stellt sein Auto eilig am Bordstein ab. Ein Polizist macht ihm Zeichen, zu verschwinden. Lino zückt seine Dienstmarke.
    »Was ist hier los?«
    Ohne auf Antwort zu warten, steigt er aus und geht auf die Menge zu, immer schneller, je näher er dem Ort des Geschehens kommt, läuft schließlich mit wild klopfendem Herzen drauflos.
    Er schiebt die Gaffer zur Seite, bahnt sich seinen Weg bis zum Gebäude mit der Hausnummer 51. Der Anblick, der sich bietet, verschlägt ihm den Atem.
    »Nein, das ist nicht wahr«, stammelt er ungläubig, während ihm der Boden unter den Füßen wegrutscht.
    Ein Mann liegt am Boden: Es ist Kommissar Llob. Er hat die Augen verdreht, den Mund weit aufgerissen, den Brustkorb grauenvoll zerfetzt.
    Lino tastet nach einem Halt, lehnt sich gegen die Mauer, um nicht zusammenzusinken. Doch seine Beine geben nach; er rutscht in Zeitlupe zu Boden, vergräbt den Kopf in beiden Händen und krümmt sich zusammen. Aus weiter Ferne hört er, wie jemand sagt:
    »Sie haben aus einem vorbeifahrenden Wagen auf ihn gefeuert. Sie haben ihr ganzes Magazin leergeschossen. Sie ließen ihm keine Chance.«
    Bilder eines »unsichtbaren« Krieges
     
    Nachwort von Beate Burtscher-Bechter
    Als in Frankreich im März 1997 mit Morituri (dt. Morituri, 1999) der erste Band der Kriminalromantrilogie um Commissaire Llob unter dem weiblichen Pseudonym Yasmina Khadra erschien, wurden bereits erste Zweifel laut, ob die in rauhem Ton geschilderten Ereignisse und die ungeschminkte Darstellung blutiger Auseinandersetzungen tatsächlich aus der Feder einer Frau stammten. Hartnäckig hielten sich auch nach der Veröffentlichung von Double blanc (1997, dt. Doppelweiß, 2000) und L’Automne des chimeres (1998, dt. Herbst der Chimären, 2001), dem zweiten und dritten Band der Trilogie, die unterschiedlichsten Gerüchte um die Identität des Autors.
    Die Überraschung war dennoch groß, als Yasmina Khadra im September 1999 in einem Exklusivinterview für die französische Tageszeitung Le Monde gestand, daß sich hinter dem weiblichen Pseudonym ein Mann verberge, der sich nach wie vor in Algerien aufhalte und aus Sicherheitsgründen zur Anonymität verurteilt sei.
    Noch größer war das Erstaunen, als der Autor im Jänner 2001 vor die französische Öffentlichkeit trat und seine wahre Identität preisgab: Mohammed Moulessehoul - so der richtige Name des Autors - diente bis zu seiner Emigration im Herbst 2000 als hoher Offizier in der algerischen Armee. Parallel dazu war er viele Jahre hindurch als Schriftsteller tätig und hatte in Algerien bereits mehrere Romane unter seinem richtigen Namen publiziert. Als er sich Ende der achtziger Jahre aufgrund eines dementsprechenden Erlasses gezwungen sah, seine Schriften vor der Veröffentlichung einer Zensurbehörde zu unterwerfen, entschied er, eher mit dem Schreiben aufzuhören, als sich solchen Maßnahmen unterzuordnen.
    Schließlich gab der Autor seine Werke ab diesem Zeitpunkt unter einem Pseudonym heraus. So erschienen Anfang der neunziger Jahre zwei Kriminalromane (Le Dingue au bistouri,
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