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Collins, Suzanne

Collins, Suzanne

Titel: Collins, Suzanne
Autoren: Flammender Zorn (Die Tribute von Panem Bd 3)
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über der Erde kein Leben
mehr möglich wäre. Entscheidend für die Menschen in 13 war, dass das Kapitol
hier sein Atomprogramm entwickelte. In den Dunklen Tagen entrissen die Rebellen
den Regierungstruppen die Kontrolle über die Atomwaffen, richteten sie auf das
Kapitol und trafen dann ein Abkommen: Sie würden so tun, als wären sie tot, und
im Gegenzug würde das Kapitol sie in Ruhe lassen. Im Westen besaß das Kapitol
noch weitere Atomwaffen, aber bei einem Einsatz gegen 13 hätte es mit Vergeltung
rechnen müssen. Also musste es dem Abkommen zustimmen. Das Kapitol zerstörte
die sichtbaren Überreste des Distrikts und kappte sämtliche Verbindungen zur
Außenwelt. Vielleicht rechneten die Führer im Kapitol damit, dass Distrikt 13
ohne Hilfe bald von allein zugrunde gehen würde. Manchmal war es auch fast so
weit, aber durch strenge Rationierung der Ressourcen, eiserne Disziplin und
ständige Wachsamkeit gegenüber erneuten Angriffen des Kapitols kamen die
Menschen in 13 immer wieder davon.
    Nun leben die Bewohner fast ausschließlich unter der Erde.
Wer Sport treiben oder ein bisschen Sonne tanken will, darf nach oben, aber nur
zu genau festgelegten Zeiten im jeweiligen Tagesplan. Der Tagesplan muss
unbedingt eingehalten werden. Jeden Morgen muss man den rechten Arm in eine
Vorrichtung in der Wand halten. Dort wird auf die weiche Innenseite des
Unterarms mit fieser lila Tinte der tägliche Stundenplanaufgedruckt. 7.00
Uhr-Frühstück. 7.30 Uhr-Küchendienst. 8.30 Uhr - Unterrichtscenter, Raum 17. Und so
weiter. Die Tinte ist unauslöschlich bis 22.00 Uhr - Baden. Was immer
die Tinte beständig macht, um diese Zeit verliert es seine Wirkung, und der
Tagesplan wird weggespült. Das Erlöschen des Lichts um 22.30 Uhr zeigt an, dass
jeder, der keine Nachtschicht hat, jetzt im Bett liegen soll.
    Anfangs, als ich todelend in der Krankenstation lag,
musste ich mich nicht bedrucken lassen. Nachdem ich zu meiner Mutter und
meiner Schwester in Einheit 307 umgezogen war, wurde erwartet, dass ich an dem
Programm teilnehme. Doch abgesehen von den Essenszeiten ignoriere ich die
Anweisungen auf meinem Arm weitgehend. Ich gehe einfach wieder in unsere
Einheit zurück, streife durch Distrikt 13 oder lege mich an einem versteckten
Ort wieder schlafen. In einem Luftschacht, der außer Betrieb ist. Hinter den
Wasserrohren in der Wäscherei. Im Unterrichtscenter gibt es einen prima
Wandschrank, der offenbar nicht für Lehrmittel benötigt wird. Hier wird so
sparsam mit den Dingen umgegangen, dass Verschwendung fast schon als Verbrechen
gilt. Zum Glück sind die Leute aus Distrikt 12 noch nie verschwenderisch
gewesen. Aber als Fulvia Cardew einmal ein Blatt Papier zusammenknüllte, auf
dem nur ein paar Wörter standen, haben die anderen sie angestarrt, als hätte
sie jemanden ermordet. Sie wurde puterrot, was die Silberblumen, die ihre
prallen Wangen zieren, noch mehr hervorhob. Ein Sinnbild der Ausschweifung. Zu
meinen wenigen Freuden in Distrikt 13 gehört es zu beobachten, wie schwer es
den paar verhätschelten »Rebellen« aus dem Kapitol fällt, sich einzufügen.
    Ich weiß nicht, wie lange sie mir die völlige Missachtung
ihrer heiligen Pünktlichkeit noch durchgehen lassen. Im Moment lassen sie mich
noch in Ruhe, weil ich als geistig verwirrt gelte - so steht es zumindest auf
meinem ärztlichen Plastikarmband - und alle mein Herumstreunen dulden müssen.
Aber das kann nicht ewig so weitergehen. Und auch ihre Geduld in Sachen
Spotttölpel wird bald ein Ende haben.
    Vom Landeplatz gehen Gale und ich die vielen Treppen hinunter
zu Einheit 307. Wir könnten auch den Aufzug nehmen, aber das erinnert mich
einfach zu sehr an den Aufzug, der mich in die Arena befördert hat. Ich kann
mich sowieso kaum daran gewöhnen, so viel Zeit unter Tage zu verbringen. Aber
jetzt, nach der unwirklichen Begegnung mit der Rose, gibt mir das
Hinuntersteigen zum ersten Mal ein Gefühl der Sicherheit.
    An der Tür zu Nummer 307 halte ich inne und bereite mich
auf die Fragen meiner Familie vor. »Was soll ich ihnen über Distrikt 12
erzählen?«, frage ich Gale.
    »Ich glaube nicht, dass sie Einzelheiten wissen wollen.
Sie haben die Brände gesehen. Wahrscheinlich ist ihre größte Sorge, wie du
damit fertig wirst.« Gale berührt meine Wange. »Und meine auch.«
    Ich lege kurz mein Gesicht in seine Hand. »Ich werd's überleben.«
    Dann hole ich tief Luft und öffne die Tür. Meine Mutter
und meine Schwester sind zu Hause: 18.00 Uhr - Besinnung,
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