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Collins, Suzanne

Collins, Suzanne

Titel: Collins, Suzanne
Autoren: Flammender Zorn (Die Tribute von Panem Bd 3)
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kaum
bis zu meinem alten Treffpunkt mit Gale schaffe. Ich setze mich auf den Stein,
auf dem Cressida uns gefilmt hat, doch ohne Gale neben mir ist er zu breit.
Mehrmals schließe ich die Augen und zähle bis zehn, in der Annahme, wenn ich
sie wieder öffne, steht er plötzlich lautlos vor mir, wie so oft. Ich rufe mir
in Erinnerung, dass Gale in Distrikt 2 einen netten Job hat und vermutlich die
Lippen einer anderen küsst.
    Es ist einer der Lieblingstage der alten Katniss.
Vorfrühling. Der Wald erwacht nach dem langen Winter. Aber der Energieschub,
der mit den Primeln begann, lässt nach. Als ich zum Zaun zurückkehre, bin ich
so matt, und mir ist so schwindelig, dass Thom mich in seinem Leichenkarren
nach Hause fahren und mir aufs Sofa im Wohnzimmer helfen muss, wo ich zusehe,
wie die Staubteilchen in den schmalen Streifen der Nachmittagssonne
durcheinanderwirbeln.
    Bei dem Fauchen fahre ich herum, aber es dauert länger,
bis ich begreife, dass er es wahrhaftig ist. Wie hat er es bloß bis hierher
geschafft? Ich betrachte die Narben, die ein wildes Tier ihm mit den Klauen
zugefügt hat, die Hinterpfote, die er kaum heben kann, die hervortretenden
Schädelknochen. Er muss den ganzen Weg aus 13 zu Fuß hergekommen sein.
Vielleicht hat man ihn rausgeschmissen, vielleicht hielt er es ohne sie einfach
nicht mehr dort aus und kam nachschauen.
    »Den Weg hättest du dir sparen können. Sie ist nicht
hier«, erkläre ich ihm. Butterblume faucht noch einmal. »Sie ist nicht hier. Da
kannst du fauchen, solange du willst. Du wirst Prim nicht finden.« Bei ihrem
Namen horcht er auf. Spitzt die angelegten Ohren. Fängt an, hoffnungsfroh zu
miauen. »Hau ab!« Er weicht dem Kissen aus, das ich nach ihm werfe. »Geh weg!
Hier ist für dich nichts mehr zu holen!« Plötzlich zittere ich vor Wut. »Sie
kommt nicht zurück! Sie wird nie mehr wiederkommen!« Ich greife wieder nach
einem Kissen und stehe auf, um besser zielen zu können. Aus dem Nichts beginnen
mir die Tränen über die Wangen zu laufen. »Sie ist tot.« Ich habe die Arme um
mich geschlungen, um den Schmerz zu lindern. Sinke auf die Fersen, wiege das
Kissen, weine. »Sie ist tot, du dummer Kater. Sie ist tot.« Ein neuer Laut,
halb Weinen, halb Singen, kommt aus meinem Körper, gibt meiner Verzweiflung
eine Stimme. Butterblume fängt ebenfalls an zu wimmern. Egal, was ich tue, er
lässt sich nicht vertreiben. Er umkreist mich, gerade außerhalb meiner
Reichweite, während die Schluchzer in Wellen durch meinen Körper fahren, bis
ich irgendwann das Bewusstsein verliere. Aber er muss es verstanden haben. Er
muss verstanden haben, dass das Undenkbare geschehen ist und er Undenkbares tun
muss, wenn er überleben will. Denn Stunden später, als ich ins Bett gehe, liegt
er da im Mondlicht. Neben mir kauernd, mit wachsamen gelben Augen, schaut er
mich aus der Nacht heraus an.
    Am Morgen bleibt er stoisch sitzen, während ich seine Wunden
säubere, nur als ich ihm einen Dorn aus der Pfote ziehe, maunzt er wie ein
Kätzchen. Wieder müssen wir beide weinen, aber diesmal trösten wir uns
gegenseitig. Dadurch gestärkt, öffne ich den Brief meiner Mutter, den Haymitch
mir damals gegeben hat, wähle die Nummer und weine auch mit ihr. Greasy Sae
kommt in Peetas Begleitung, der unterm Arm einen warmen Laib Brot trägt. Sie
bereitet uns ein Frühstück und ich verfüttere all meinen Speck an Butterblume.
    Langsam, mit vielen verlorenen Tagen, finde ich ins Leben
zurück. Ich versuche die Anweisung von Dr. Aurelius zu befolgen, einfach
weiterzumachen, und wundere mich, wenn irgendwas plötzlich wieder eine
Bedeutung bekommt. Ich erzähle ihm von meiner Idee mit dem Buch, und mit dem
nächsten Zug aus dem Kapitol trifft eine große Kiste Pergamentpapier ein.
    Das Pflanzenbuch der Familie hat mich auf die Idee gebracht.
In dem wir alles festhielten, was wir vor dem Vergessen bewahren wollten. Jede
Seite dieses neuen Buches beginnt mit einem Bild der jeweiligen Person. Ein
Foto, falls vorhanden. Ansonsten eine Zeichnung von Peeta. In meiner besten
Handschrift folgen sodann all die Einzelheiten, die nicht in Vergessenheit
geraten dürfen. Wie Lady Prims Wange leckt. Das Lachen meines Vaters. Peetas
Vater mit den Plätzchen. Die Farbe von Finnicks Augen. Was Cinna aus einem
Stück Seide machen konnte. Boggs, der das Holo umprogrammiert. Rue, auf den
Zehenspitzen balancierend, die Arme leicht angehoben, wie ein Vogel, der gleich
abhebt. Und immer weiter. Wir versiegeln die Seiten mit
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