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Collins, Suzanne

Collins, Suzanne

Titel: Collins, Suzanne
Autoren: Flammender Zorn (Die Tribute von Panem Bd 3)
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Fremde tauchen auf. Hängen meinen ausgedörrten Körper an
den Tropf und füttern mich. Baden und kleiden mich. Einer hebt mich hoch wie
eine Puppe und trägt mich hinauf aufs Dach, in ein Hovercraft, wo er mich auf
einem Sitz festschnallt. Gegenüber sitzen schon Haymitch und Plutarch. Im
nächsten Augenblick heben wir ab.
    Ich habe Plutarch noch nie so gut gelaunt gesehen. Er
strahlt vor Begeisterung. »Du musst tausend Fragen haben!« Ich sage nichts, er
gibt aber trotzdem Antworten.
    Nach Coins Ermordung brach die Hölle los. Als sich der
Tumult beruhigt hatte, entdeckten sie Snows leblosen Körper, der immer noch an
den Pfahl gebunden war. Ob er an seinem Lachen erstickt ist oder von der Menge
erdrückt wurde, darüber gehen die Meinungen auseinander. Es interessiert aber auch
niemanden so recht. Eine provisorische Wahl wurde abgehalten und Paylor zur
Präsidentin gewählt. Plutarch wurde zum Minister für das Kommunikationswesen
ernannt und ist seitdem für die Programmgestaltung verantwortlich. Das erste
große Fernseh-Event war mein Prozess, in dem er als Zeuge einen Starauftritt
hatte. Um mich zu verteidigen, natürlich. Der wichtigste Entlastungszeuge war
allerdings Dr. Aurelius, der sich für seine Nickerchen offenbar dadurch
revanchiert hat, dass er mich als hoffnungslose, vom Krieg neurotisierte Geisteskranke
darstellte. Eine Bedingung für meine Freilassung ist, dass ich mich bei ihm in
Behandlung begebe, was allerdings nur über Telefon geht, weil er niemals an
einem so verlassenen Ort wie Distrikt 12 leben würde, wohin ich bis auf
Weiteres verbannt bin. Fakt ist, dass jetzt, da der Krieg zu Ende ist, keiner
so genau weiß, was man mit mir anfangen soll. Falls doch noch mal ein Krieg
ausbrechen sollte, würden sie aber bestimmt eine Rolle für mich finden, sagt
Plutarch und muss herzlich lachen. Es scheint ihm nie etwas auszumachen, wenn
kein anderer seine Witzchen lustig findet.
    »Bereitet ihr euch denn auf einen neuen Krieg vor?«, frage
ich.
    »Ach, im Moment nicht. Jetzt befinden wir uns in der angenehmen
Phase, in der alle der Meinung sind, dass sich die jüngsten Schrecken nie
wiederholen dürfen«, sagt er. »Aber eine solche Einigkeit ist gemeinhin
kurzlebig. Wir sind wankelmütig, dumme Wesen mit schwacher Erinnerung und
einem großen Drang zur Selbstzerstörung. Obwohl - wer weiß? Vielleicht ist das
jetzt der entscheidende Moment, Katniss.«
    »Inwiefern?«, frage ich.
    »Vielleicht hat es diesmal Klick gemacht. Vielleicht
werden wir Zeuge einer Evolution der Menschheit. Denk mal darüber nach.« Und
dann fragt er, ob ich nicht in seinem neuen Musikformat auftreten möchte, das
in ein paar Wochen auf Sendung geht. Irgendwas Fröhliches singen. Er werde mir
ein Team ins Haus schicken.
    Wir machen einen kurzen Zwischenstopp in Distrikt 3 und
setzen Plutarch ab. Er will sich dort mit Beetee treffen, um die Sendetechnik
auf Vordermann zu bringen. Zum Abschied sagt er noch: »Lass von dir hören!«
    Als wir wieder in den Wolken schweben, schaue ich zu Haymitch.
»Und wieso gehst du zurück nach 12?«
    »Offenbar war für mich im Kapitol auch kein Platz zu finden«,
sagt er.
    Zuerst nehme ich das so hin. Aber bald kommen mir Zweifel.
Haymitch hat niemanden ermordet. Er ist ein freier Mann. Wenn er nach 12
zurückgeht, dann, weil man es ihm befohlen hat. »Du sollst auf mich aufpassen,
nicht wahr? Als mein Mentor?« Er zuckt die Achseln. Jetzt wird mir klar, was
das bedeutet. »Meine Mutter kommt nicht zurück.«
    »Nein«, sagt er. Er zieht einen Umschlag aus der Jackentasche
und reicht ihn mir. Ich betrachte die zarte, vollkommene Handschrift. »Sie
arbeitet beim Aufbau eines Krankenhauses in Distrikt 4 mit. Sie möchte, dass du
sie gleich nach unserer Ankunft anrufst.« Mein Finger fährt über den anmutigen
Schwung der Buchstaben. »Du weißt, warum sie nicht zurückkann.« Ja, ich weiß,
warum. Weil dieser Ort zu schmerzlich für sie ist, wegen meines Vaters, wegen
Prim, wegen der Asche. Für mich ist er das offensichtlich nicht. »Möchtest du
wissen, wer sonst noch nicht da sein wird?«
    »Nein«, sage ich. »Ich lasse mich überraschen.«
    Ganz der große Mentor, fordert Haymitch mich auf, ein belegtes
Brot zu essen, und tut dann so, als glaubte er, ich würde den Rest der Reise
verschlafen. Er ist unheimlich umtriebig, sucht in jedem Winkel, findet
schließlich den Schnaps und stopft ihn sich in die Tasche. Als wir auf der
Rasenfläche im Dorf der Sieger landen, ist es Nacht. In der
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