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Knastpralinen: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Knastpralinen: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Titel: Knastpralinen: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)
Autoren: Simone Buchholz
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Der Raum ist von oben bis unten gefliest, in einem hellen, matten Grau, kühl, modern. Die Schränke und die Arbeitsflächen, die Töpfe, die Pfannen und die Schüsseln sind aus glänzendem Edelstahl. In der Mitte steht ein Block aus zwei massiven Gasherden, mit jeweils vier Flammen. Links im Fußboden ist ein Ausguss.
    Da sind zwei Frauen, etwa Mitte dreißig. Die eine hat dunkelblonde Locken, wirr hochgesteckt. Sie trägt ein knielanges, offensives Kleid. Sie ist eine von den Frauen, die man sieht, und man muss sofort an Sex denken. Die andere Frau wirkt eher nüchtern. Sie ist groß und schlank, sie hat ihre hellblonden, halblangen Haare zu einem strengen Zopf gebunden, trägt gutgeschnittene Jeans und ein enges dunkles T-Shirt. Sie macht die Ansagen. Sie scheint die zu sein, die sich auskennt.
    Die Frau mit den Locken gießt Rotwein in einen großen Topf, in dem Topf liegen zigarettenschachtelgroße Stücke Fleisch. Die Chefin mariniert Koteletts in Öl und Kräutern und schichtet sie in eine Schale. Aus einer beeindruckenden Maschine läuft durch zwei Löcher frisches Hackfleisch in eine große Wanne.
    Außer den Frauen ist niemand in der Küche. Die digitale Uhr an der Wand zeigt 3:37.
    »Was glaubst du?«, fragt die mit den Locken.
    »Um sechs sind wir durch«, sagt die andere und wischt sich mit einem dünnen grauen Handtuch den Schweiß von der Stirn.
    Angel Heart
    D ie Luft in meinem verdammten Büro ist so dick, man könnte sich ein Schiffstau daraus stricken. Es ist übertrieben heiß in Hamburg, seit einer knappen Woche sprengt die Temperatur täglich die Dreißig-Grad-Marke. Und jetzt, über Mittag, legt die alte Stadt da noch mal ein paar Grad drauf.
    Ich streiche mir die Haare aus der Stirn und binde sie am Hinterkopf zu einem Knoten. Ich knöpfe mein Hemd ein bisschen weiter auf, schiebe die Ärmel hoch und stelle meinen Tischventilator von zwei auf drei. Dann trinke ich einen Schluck Wasser, zünde mir eine frische Zigarette an und mache weiter. Nächste Woche wird drei Frauenhändlern der Prozess gemacht. Ich bin am Aktenfressen. Die Typen haben Mädchen aus rumänischen Dörfern einen vom Pferd erzählt, von tollen Jobs im Ausland, als Tänzerinnen, Kellnerinnen, Kindermädchen. Als die jungen Frauen dann in Hamburg ankamen, waren sie ihre Pässe los und mussten auf dem Kiez in billigen Hinterhofpuffs anschaffen gehen. Über Jahre haben die Wichser das durchgezogen, bevor wir Wind davon bekommen haben. Das Übliche halt. Irgendwie merken das alle immer viel zu spät, wenn Frauen oder Kinder gequält werden. Das merkt nie einer rechtzeitig. Ich kann es nicht wiedergutmachen, dass wir die Frauen so lange haben hängen lassen. Aber ich werde auf diesen Prozess vorbereitet sein, wie ich noch nie in meinem Leben auf einen Prozess vorbereitet war, das schwöre ich. Vor diesen miesen Arschlöchern wird die unbarmherzigste Staatsanwältin stehen, die je vor ein paar miesen Arschlöchern stand. Die werden sich fühlen wie die drei Streifenhörnchen, wenn ich mit ihnen fertig bin. Die werden den Tag verfluchen, an dem sie die Idee hatten, Menschen zu verschachern.
    Die Frauen, die wir in einer dunklen Wohnung in der Kastanienallee fanden, waren wie Sklavinnen gehalten worden. Sie waren alle krank. Die Freier hatten ohne Gummis rangedurft, für dreißig Euro pro Nummer, und jeder von ihnen hat was Nettes dagelassen. Zusätzlich hatten vier von den fünf Frauen Verletzungen im Gesicht und am Körper. Und zwei hatten Kinder, die lebten da mit in der Hölle.
    Manchmal verfolgen mich die Gesichter der Toten, die ich so zu sehen bekomme. Aber das hört in der Regel nach zwei, drei Nächten auf. Die Gesichter dieser jungen Frauen besuchen mich inzwischen seit sechs Wochen in meinen Träumen. Der Blick, den sie alle in den Augen hatten. Verängstigt. Entwürdigt. Geprügelt. Und die beiden Kinder. Wie die gekuckt haben. Als würden sie nichts von all dem begreifen und dann doch wieder alles. Soll das jetzt das Leben sein? Dieses schäbige, düstere Kabuff hier?
    Mein Telefon klingelt. Der Brückner ist dran.
    »Rothenburgsort, Chef«, sagt er, »wir machen uns gerade auf den Weg. Kommen Sie mit?«
    Er klingt gehetzt. Der Calabretta ist noch im Urlaub, und die Stelle vom Faller ist bisher nicht neu besetzt worden. Die Kommissare Brückner und Schulle sind alleine. Die haben gerade richtig Stress am Arsch.
    »Klar komme ich mit«, sage ich. »Was ist denn los?«
    »Leichenteile«, sagt er, »wir wissen noch nichts
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