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Knastpralinen: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Knastpralinen: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Titel: Knastpralinen: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)
Autoren: Simone Buchholz
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Nachtzeit, und bei jedem Wetter. Vielleicht ist der Faller deshalb ununterbrochen hier. Weil es stark macht, sich wie Clint Eastwood zu fühlen. Mit dem Eastwood-Gefühl im Leib kann man irgendwie eine Menge ab.
    Er sitzt auf einem Klappstuhl, trägt ein weißes Hemd und eine graue Anzughose. Sein Sakko hängt über der Stuhllehne, und seinen alten Borsalino hat er gegen einen Strohhut getauscht, wegen der Sonne.
    In der Hand hält er eine Angel.
    Das ist neu.
    »Faller?«
    Er dreht den Kopf zu mir, sieht mich an und schiebt mit dem Zeigefinger seinen Hut nach oben, nur um ein paar Zentimeter.
    »Was soll der Scheiß mit der Angel?«, frage ich.
    Er schaut wieder aufs Wasser.
    »Sie wollen mir doch nicht erzählen, dass Sie hier Fische fangen, alter Mann.«
    Er lehnt sich in seinem Stuhl zurück und seufzt.
    »Und wenn Sie was fangen?«, frage ich. »Wo wollen Sie das dann reintun? Ich seh hier keinen Eimer oder so was.«
    Der Faller lächelt und sagt: »Ts.«
    »Soll ich Ihnen vielleicht ein paar Köder besorgen?«
    Er sieht mich an, als hätte ich ihn gefragt, ob ich ihm ein paar Teenienutten auf Koks besorgen soll.
    »Das war eine ernstgemeinte Frage«, sage ich, »so wird das nichts mit dem Abendessen.«
    Er seufzt noch mal. Dann streckt er seine Hand aus, zieht mich neben sich auf den Boden. Ich setze mich, und er legt mir den Arm um die Schultern. Mein Gott, ist das heiß hier. Ich mach mir ein bisschen Sorgen, dass der Faller einen Hitzschlag kriegen könnte. Vor unserer Nase fährt ein Raddampfer vorbei. Ich muss an Bellehaven denken, die Heimat meines Vaters in den Südstaaten. Da gehören diese blöden Dampfer zum Standardprogramm. Gaukeln den Amerikanern die gute alte Zeit vor. Mir wird auf der Stelle noch heißer.
    »Hören Sie auf zu nerven, Chastity«, sagt der Faller. »Das ist hier schon alles so, wie es sein soll.«
    »Warum glaube ich Ihnen das nicht?«
    Statt zu antworten holt er zwei Roth-Händle aus seiner Brusttasche.
    Die Tasche sitzt genau da, wo damals die Kugel durchging.
    Mein alter Freund hat so ein verdammtes Glück gehabt. Manchmal wache ich morgens auf und habe das Gefühl, dass der Faller nicht mehr ist. Dass sein Herz das doch nicht geschafft hat. Ich versuche dann, ihn nicht anzurufen. Will ihn ja nicht gleich morgens mit seinem eigenen Tod belästigen.
    Er steckt sich beide Zigaretten in den Mund, holt ein Feuerzeug aus seiner Hosentasche, zündet die Kippen an, gibt mir eine davon und sagt:
    »Sie sollten wieder mehr rauchen.«
    Ich ziehe an der Roth-Händle und muss husten.
    Elendes Kraut.
    Wir starren eine Weile aufs Wasser und qualmen. Ich befürchte, mein Gehirn könnte aus Versehen schmelzen, und schnaufe.
    »Was gibt’s denn, mein Mädchen?«, fragt er.
    Das ist mir schon vor ein paar Wochen aufgefallen: Der Faller und ich kehren so langsam die Reste unserer beruflichen Beziehung zusammen und schieben sie Scherbe für Scherbe zur Seite. Wir werden privater. Er wird väterlicher. Er hat aufgehört, mich Chef zu nennen. Mir gefällt das.
    »Wir haben einen Kopf gefunden.«
    »Oh«, sagt der Faller.
    »Füße und Hände auch.«
    »Oh, oh«, sagt der Faller. »Mann oder Frau?«
    »Mann«, sage ich, »um die dreißig.«
    »Lag das einfach so rum?«
    »Nein«, sage ich, »lag alles ordentlich verschnürt in einem Müllsack in der Billwerder Bucht. Und damit das kleine gemeine Paket nicht schwimmt, war einer dieser Steine mit reingepackt, so ein großer, runder, wie heißen die noch …«
    »Felsbrocken?«
    »Gibt’s da nicht einen speziellen Namen für?«, frage ich. »Findling, oder so?«
    »Ein Findling wiegt mehrere Tonnen«, sagt der Faller.
    »Okay«, sage ich. »Dann war’s eben ein Felsbrocken.«
    »Wie kam das hässliche Paket denn ans Tageslicht?«
    »Baggerschiff«, sage ich. »Schlickbeseitigung. Der Baggerführer hat sich gewundert und das Päckchen aufgemacht.«
    »Unglücklich«, sagt der Faller. »Wie geht’s dem Mann?«
    »Ich glaub, den hat das überhaupt nicht beeindruckt. Der hockte da auf dem Streifenwagen rum, hat seinen Bauch in die Sonne gehalten und Witze übers Wetter gerissen. Schien ein robuster Kollege zu sein. Er hat erzählt, dass er vor ein paar Jahren schon mal eine Frau aus dem Wasser gezogen hat, gleich ums Eck, am Moorfleeter Deich.«
    »Wie haben meine Jungs das weggesteckt?«, fragt der Faller.
    »Geht so«, sage ich. »Der Schulle hat hinters Auto gekotzt.«
    »Calabretta?«
    »Ist noch in Neapel«, sage ich, »der kommt erst am Sonntag
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