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Knastpralinen: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Knastpralinen: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Titel: Knastpralinen: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)
Autoren: Simone Buchholz
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gefunden«, sagt der Schulle und packt ein paar Sachen zusammen. »Die Elbe ist wegen der Hitze im Moment undurchsichtig wie ein alter Lude. Die Spurensicherung hat auf dem Grünstreifen vor dem Fundort zwar jede Menge Kippen und Haare und Reifenspuren sichergestellt, aber das wird uns nicht groß weiterhelfen. Die ganze Billwerder Bucht ist am Wochenende so ’ne Art Ausflugsecke für Szenepärchen.«
    Schade. Also doch nix mit öfter mal nach Rothenburgsort fahren. Wo Szenepärchen sind, will ich nicht sein.
    »Dann knöpfen Sie beide sich jetzt die Kumpels von unserem Toten vor?«
    »Macht der Brückner alleine«, sagt der Schulle, »ich will gleich noch im Haus der tausend Eier vorbeischauen.«
    Natürlich. Selbstverständlich. Hab ich noch gar nicht dran gedacht.
    »Kann ich mitkommen?«, frage ich.
    »Klar«, sagt der Schulle.
    Ich bin ein großer Fan vom Tausend-Eier-Haus. Das Hochhaus in Rothenburgsort ist erste Anlaufstelle für Ex-Knackis. Da wohnen alle, die gerade aus dem Bau raus sind, und die wohnen da gerne mal zu fünft oder zu sechst in einer winzigen Bude. Das Haus der tausend Eier ist eine Art Dampfkochtopf für Verbrecher, da gibt’s jede Menge Hoffnungslosigkeit, Frustration und eben dicke Eier, denn da wohnen ja ausschließlich Männer, und ab und zu fliegt das Ding dann natürlich auch mal in die Luft.
    Es macht absolut Sinn, sich da umzuhören, wenn in der gleichen Gegend zerhackte Menschen gefunden werden.
    Der Brückner drückt den Zeigefinger gegen seinen linken Nasenflügel und schnieft so laut, dass da jetzt einfach mal jemand drauf reagieren muss.
    »Ist was mit Ihrer Nase?«, frage ich.
    »Alte Kriegsverletzung«, sagt er. »Das war diese eine Nacht vor zehn Jahren, da hab ich statt der einen Linie Koks zwei genommen, und immer, wenn’s so heiß ist, bricht das irgendwie auf.«
    Äh. Ja.
    »Das war doch nicht nur die eine Nacht«, sagt der Schulle. »Du Pfeifenkopf warst immer so gierig.«
    »Papperlapapp«, sagt der Brückner, zeigt dem Schulle den Stinkefinger und kuckt irgendwas in seinem Computer nach.
    Ich sag’s doch. Die Jungs aus der letzten Reihe.
    *
    Auf den ersten Blick sieht es aus wie ein ganz normales Hochhaus in einem ganz normalen sozialen Brennpunkt. Im ersten Stock sind ein paar Scheiben eingeschmissen, die Tür ist kaputt, die Briefkästen sind zerbombt, und irgendwo tief unter vielen Schichten aus Graffiti verstecken sich an die hundert Namensschilder aus den Siebzigern. Aber schon im Treppenhaus wird’s ein bisschen härter als anderswo, da sitzt eine zottelige Fünfergruppe im Kreis und trinkt Schnaps. Sie beachten uns nicht. Der rechte Aufzug ist kaputt, in dem linken Aufzug liegt ein Schlafsack in der Ecke, ich schätze, der war mal grün oder blau. Auf dem Schlafsack wartet eine geöffnete Dose Ravioli, daneben eine Palette Hansa-Pils. Insgesamt riecht es sehr stark nach Alkohol.
    Der Schulle drückt auf den Knopf mit der neun.
    »Wen besuchen wir?«, frage ich.
    »Opa Terim«, sagt er, »der wohnt hier seit Jahrzehnten und kann Ihnen sogar sagen, wenn zwei Küchenschaben geheiratet haben. Ohne den läuft hier gar nix. Außerdem ist er so alt, dem kann keiner mehr was.«
    »Heißt das, er redet mit uns?«
    »Wenn er Bock hat«, sagt der Schulle. »Und es schadet sicher nicht, dass wir ein Gastgeschenk dabeihaben.«
    »Haben wir?«, frage ich.
    Er zieht ein Tütchen mit allerfeinstem Gras aus der Hosentasche und hält es mir unter die Nase. Ts.
    »Beschlagnahmter Stoff vom Drogendezernat«, sagt er, »ich hab da einen Freund, der …«
    So genau will ich das gar nicht wissen.
    »So genau wollte ich das gar nicht wissen«, sage ich.
    Die Fahrstuhltür geht auf. Das Hochhaus ist in U-Form angelegt, auf jedem Stockwerk gibt es eine Art Betonlaubengang, und von da gehen die einzelnen Wohnungen ab oder, besser: die Mehrbettzellen. Mindestens zehn auf jedem Stockwerk. Der Schulle marschiert durch bis links hinten. Aus der Tür ist der Griff rausgebrochen. Überm Türrahmen hängt ein offensichtlich uraltes Bob-Marley-Plakat. Kommissar Schulle klopft. Tock. Tock. Tock, tock, tock. Zweimal lang, dreimal kurz. Der verblüfft mich heute.
    »Sie sind ein ausgebuffter Halunke«, sage ich.
    Er grinst mich an, und von drinnen ruft jemand:
    »Merhaba!«
    »Merhaba«, sagt der Schulle und gibt der Tür einen leichten Schubs mit dem Fuß, so dass sie vorsichtig aufschwingt.
    Hinter der Tür liegt eine Kifferhöhle, die früher mal ein Eineinhalb-Zimmer-Apartment gewesen sein
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