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Collins, Suzanne

Collins, Suzanne

Titel: Collins, Suzanne
Autoren: Flammender Zorn (Die Tribute von Panem Bd 3)
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als Mörderin der neuen Präsidentin Panems vor mir. Das
Verhör, vermutlich unter Folter, danach eine öffentliche Hinrichtung. Wieder
einmal Abschied nehmen von den wenigen Menschen, an denen mir noch etwas liegt.
Die Aussicht, meiner Mutter gegenübertreten zu müssen, die nun bald ganz allein
auf der Welt sein wird, gibt den Ausschlag.
    »Gute Nacht«, flüstere ich dem Bogen in meiner Hand zu,
und er wird still. Ich hebe den linken Arm und beuge den Hals, um die Pille mit
den Zähnen aus der Ärmeltasche zu befreien. Aber statt in Stoff bohren sich
meine Zähne in Fleisch. Verwirrt zucke ich zurück und starre in Peetas Augen,
nur dass sie meinem Blick jetzt standhalten. Blut tritt aus den Abdrücken
meiner Zähne auf seiner Hand, die er über die Nachtriegel-Pille gelegt hat.
»Lass mich los!«, fauche ich ihn an und versuche meinen Arm zu befreien.
    »Ich kann nicht«, sagt er. Ich werde fortgeschleift und
kriege nur noch mit, wie die Tasche vom Ärmel abgerissen wird. Die lila Pille,
Cinnas letztes Geschenk, fällt auf den Boden und wird unter dem Stiefel einer
Wache zermalmt. Ich verwandele mich in ein wildes Tier, trete um mich, kratze,
beiße und tue alles, um mich aus dem Netz der zahllosen Hände zu befreien, die
nach mir greifen. Die Wachen heben mich hoch, und während ich über die Köpfe
der wütenden Menge hinweg davongetragen werde, schlage ich weiter um mich. Ich
schreie Gales Namen, kann ihn unter all den Menschen nicht ausmachen, aber er
wird sich denken können, was ich will. Einen sauberen Schuss, der dem Ganzen
ein Ende bereitet. Doch es kommt kein Pfeil, keine Kugel. Kann es sein, dass er
nicht sieht, was mit mir geschieht? Nein. Über uns, auf den riesigen
Bildschirmen, die rings um den Großen Platz hängen, kann jeder verfolgen, was
los ist. Er sieht es, er weiß es, aber er schafft es nicht. Wie ich, als er
gefangen genommen wurde. Schöne Jäger und Freunde sind wir, alle beide.
    Ich bin auf mich allein gestellt.
    Im Palast bekomme ich Handschellen und eine Augenbinde
angelegt. Über lange Flure werde ich halb fortgeschleift, halb getragen, fahre
mit Aufzügen hinauf und hinunter und werde schließlich auf einem Teppichboden
abgesetzt. Die Handschellen werden mir abgenommen, hinter mir schlägt eine Tür
zu. Als ich die Augenbinde hochschiebe, sehe ich, dass ich in meinem alten
Zimmer im Trainingscenter bin. Wo ich die letzten kostbaren Tage vor den ersten
Hungerspielen und dem Jubel-Jubiläum verbracht habe. Auf dem Bett liegt nur die
nackte Matratze, der Schrank steht offen und ist gähnend leer, aber ich würde
den Raum immer wiedererkennen.
    Ich habe Mühe, auf die Füße zu kommen und mein Spotttölpelkostüm
abzulegen. Ich habe starke Prellungen, vielleicht sind auch ein paar Finger
gebrochen, doch meine Haut hat den Kampf mit den Wachen am teuersten bezahlt.
Die rosa Ersatzhaut ist in Fetzen zerrissen wie ein Papiertaschentuch und aus
den im Labor gezüchteten Zellen sickert Blut. Kein Sanitäter lässt sich
blicken, und da ich viel zu erschöpft bin, krieche ich einfach nur auf die
Matratze und warte darauf, dass ich verblute.
    Wieder kein Glück. Gegen Abend gerinnt das Blut, ich liege
steif und wund und klebrig da, aber ich lebe. Ich humpele unter die Dusche und
wähle die sanfteste Einstellung, an die ich mich erinnern kann, ohne Seife oder
Haarshampoo. Die Ellbogen auf den Knien, den Kopf in den Händen, hocke ich mich
unter den warmen Strahl.
    Ich heiße Katniss Everdeen. Warum bin ich nicht tot? Ich
müsste doch tot sein. Es wäre für alle das Beste, wenn ich tot wäre ...
    Ich stelle mich auf die Badematte und lasse meine
zerfetzte Haut im heißen Luftstrom trocknen. Es ist keine saubere Kleidung da.
Nicht mal ein Handtuch, in das ich mich wickeln könnte. Das Spotttölpelkostüm
ist verschwunden. An seiner Stelle liegt da eine Art Morgenmantel aus Papier.
Aus der geheimnisvollen Küche haben sie mir eine Mahlzeit nach oben geschickt,
ein Schälchen Medikamente als Dessert. Ich esse, nehme die Pillen, verarzte
meine Haut mit Salbe. Dann versuche ich darüber nachzudenken, wie ich mich
umbringen soll.
    Ich kauere mich wieder auf der blutbefleckten Matratze zusammen.
Unter dem dünnen Papier auf meinem zarten Fleisch ist mir nicht kalt, aber ich
fühle mich so nackt. In den Tod springen scheidet aus - die Fensterscheibe ist
bestimmt dreißig Zentimeter dick. Im Knüpfen von Schlingen bin ich Experte,
doch es ist nichts da, woran ich mich aufhängen könnte. Ich könnte
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