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Eine unberührte Welt

Eine unberührte Welt

Titel: Eine unberührte Welt
Autoren: Andreas Eschbach
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Quantenmüll
    Es gibt das Phänomen der »verschränkten Quanten« – zwei Teilchen, die über beliebige Entfernungen hinweg miteinander verbunden sind. Nimmt man Einfluss auf das eine, verändert sich zugleich auch das andere, ohne dass man bereits genau verstünde, wie das möglich ist.
    Eine seltsame Ironie will es, dass es rund um die folgende Geschichte, die »Quanten« im Titel trägt, ebenfalls zu bizarren Gleichzeitigkeiten kam.
    Die Grundidee kam mir schon vor vielen Jahren, und sie ruhte zunächst, wie üblich, in einem meiner Notizbücher. Bei deren Durchblättern blieb mein Blick immer wieder sinnend daran hängen, und im Dezember 2001 kritzelte ich dazu: Vielleicht als Hörspiel? Kurz darauf, im Januar 2002, meldete sich der DRS bei mir, der Schweizer Rundfunk, und fragte an, ob ich nicht zufällig auch ein Hörspiel in der Schublade liegen hätte. Womöglich eines, das zu einer Sendereihe passte, die damals geplant wurde.
    Hatte ich nicht, aber, schlug ich vor, ich könnte ja eines schreiben. Ich hatte schon Hörspiele geschrieben, allerdings war ich damals 14 Jahre alt gewesen und frischgebackener Besitzer eines sogenannten »Radiorekorders«. Damals verfolgte ich die diversen Hörspielreihen der Radiosender, und eine Zeit lang vergnügte ich mich damit, eigene Hörspiele zu schreiben und mit verstellten Stimmen – und selbstproduzierten Geräuschen; es gibt da tolle Tricks! – auf Cassetten zu sprechen, die ich dann im Freundeskreis kursieren ließ.
    Es war also eine Art Rückkehr zu den Wurzeln, ein Hörspiel mit dem Titel »Quantenmüll« zu schreiben. Nach besonders gründlicher Überarbeitung schickte ich es an die Leute vom DRS .
    Doch die wollten es nicht. Es gefiele ihnen im Grundsatz, passe aber nicht in die Reihe. Vielleicht ein andermal.
    Gut, es kann nicht alles klappen. So ruhte dieses Hörspiel auf meiner Festplatte, bis mir im Frühjahr 2004 ein gewisser Helmuth Mommers schrieb, Urgestein der deutschen SF-Szene und in letzter Zeit umtriebiger Herausgeber diverser Kurzgeschichtenmagazine. Er fragte an, ob ich nicht etwas hätte für ein neues Storymagazin-Projekt, VISIONEN. Hatte ich eigentlich nicht – mein Storypool war seit Jahren leer bis auf den Grund –, aber mir fiel dieses Hörspiel wieder ein. Warum sollte das verschimmeln? Ich würde eine Story draus machen. Gedacht, getan, und diesmal gefiel sie und wurde angenommen.
    Und wie das Leben so spielt: Am nächsten Tag meldete sich der DRS! Man wolle nun doch gern das Hörspiel »Quantenmüll« produzieren, ob es noch zu haben sei. (Und das ist jetzt nicht übertrieben, ich habe nachgeguckt: Die Story habe ich abgeschickt am 6.7.04 um 18:50, die Mail vom DRS kam am 7.7.04 um 14:48. Hier waltete das Schicksal. Oder eine Quantenverschränkung. Falls das nicht dasselbe ist, wer weiß.)
    Natürlich war das Hörspiel noch zu haben, und so kam es im Herbst 2004 zum quantenmülltechnischen Dopplereffekt: Zunächst erlebte die Hörspielfassung im DRS1 am 17. September 2004 um 20 Uhr ihre Erstausstrahlung. (Die ich, meines fernen Wohnsitzes wegen, natürlich nicht miterlebte, aber ich erhielt einen Mitschnitt auf CD, der mir außerordentlich gut gefiel.) Und im November 2004 erschien die Storyfassung in dem Band »Der Atem Gottes und andere Visionen«, einer Anthologie, die in der Folge mit Nominierungen und Preisen geradezu überhäuft wurde. Dass meine Geschichte den Deutschen Fantastik Preis erhielt, ist da eher eine Randnotiz.
     
    Ich habe mir den Luxus erlaubt, den Kamin anzufeuern. Ich werfe einen Scheit nach dem anderen in die Flammen, sehe zu, wie er verbrennt, stelle mir bildlich vor, wie oben der Rauch schwarz aus dem Schornstein quillt und sich in der Atmosphäre verteilt, und trinke meinen besten Rotwein dazu.
    Die Flasche, mit der ich mich im Moment befasse, hat einmal viertausend Euro gekostet. Eines der edelsten Stücke meines Kellers, abgesehen von der ersten, die ich bereits verkostet habe und die, ich glaube, zehn- oder elftausend Euro kostete. Damals. Und sie war es wert, muss ich sagen.
    Mal sehen, wie weit ich noch komme. Ansonsten habe ich nichts mehr vor. Ich habe Zeit, wie man so sagt.
    Zeit, ja. Sie vergeht, und das ist wohl das Einzige, was man mit Bestimmtheit über sie sagen kann. Sekunde um Sekunde verrinnt sie, und mit ihr unser Leben.
    Unaufhaltsam. Es macht Tick, es macht Tack, und wieder ist ein Augenblick dahin, unwiderruflich, unwiederbringlich.
    Ist das nicht das größte Rätsel überhaupt – die
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