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Eine unberührte Welt

Eine unberührte Welt

Titel: Eine unberührte Welt
Autoren: Andreas Eschbach
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vervielfältigst, ihre Rechte daran und findest dich vor Gericht wieder mit einer Klage, bei der dir die Tränen kommen.«
    Dieter schüttelte den Kopf und knallte den Aktenschrank zu. »Ich sage trotzdem nein, und damit basta.« Er schloss seinen Aktenkoffer.
    Ich seufzte. »Also gut. Aber eine letzte Chance musst du mir noch geben. Lass uns kurz in mein Büro rübergehen. Ich habe etwas, das unsere Differenzen aus der Welt schaffen wird.«
    »Wüsste nicht, was das sein könnte«, murrte Dieter, vergebens in allen Schubladen nach seinen Autoschlüsseln suchend. »Ich habe außerdem keine Zeit, ich sollte längst weg sein –«
    »Es dauert nur einen Moment.«
    »Wo sind diese verdammten Schlüssel, verflucht noch eins?«
    »Bitte«, sagte ich. »Danach brauchen wir das Thema nie wieder zu diskutieren, großes Ehrenwort.«
    Dieter seufzte abgrundtief. »Also gut, einen Blick. Wenn danach Ruhe ist …«
    »Versprochen.« Ich öffnete die Tür, die von seinem in mein danebenliegendes, kleineres Büro führte. »Bitte, nach dir.«
    Er stürmte vorwärts, wie es immer seine Art gewesen war, und als er begriff, was los war, war es zu spät, um zu bremsen. »He, das ist doch –!«, brachte er noch heraus. Ich gab ihm zur Sicherheit einen kräftigen Tritt in den Rücken, dann verschwand er in dem Feld, das ich im Türrahmen installiert hatte.
     
    Alles, was ich danach zu tun hatte, war, die Batterie herauszunehmen, die das Feld versorgt hatte. Es erlosch, und die paar Spulendrähte ließen sich spurlos entfernen. Ein zweites Feld, in der Tiefgarage über seinem persönlichen Parkplatz installiert, entsorgte sein Auto. Seine Angestellten waren es gewöhnt, keine Fragen zu stellen und sich keine Gedanken zu machen. Die Polizei ging später davon aus, dass Dieter in illegale Geschäfte verwickelt gewesen war – Hinweise darauf fanden sich zur Genüge – und untergetaucht war.
    Es lief alles bestens. Nachdem sie die Scheidung durch hatte, heiratete ich Dieters Frau – und damit die Firma –, dann stiegen wir in die Produktion von Müllentsorgungsanlagen aller Art ein. Unsere Abgasfilter für Heizkraftwerke und Verbrennungsanlagen waren sensationell – reine Luft, die den Schornstein verließ. Aus unseren Klärendstufen kam Wasser, das man trinken konnte. Allerdings viel weniger, als hineinfloss – das ließ die Techniker stutzig werden. Nun ja. Es war mir von Anfang an klar, dass die Sache mit dem Feld nicht für immer geheim bleiben würde.
    Natürlich kam dann irgendwann ein hässlicher Verdacht auf, was das Verschwinden meines Bruders betraf. Aber da hatte ich schon genug Geld, um mir die schärfsten Rechtsanwälte der Welt leisten zu können, und so wurde nicht viel daraus.
    Und wer hätte denn beweisen wollen, dass Dieter wirklich tot war?
    Wie auch immer. Der Rest ist, wie man so sagt, Geschichte. Das abgasfreie Auto ist heute eine Selbstverständlichkeit. Erinnern Sie sich überhaupt noch daran, dass es einmal so etwas wie eine Müllabfuhr gegeben hat? Müllverbrennungsanlagen? Wenn ja, dann sind Sie mindestens 25 Jahre alt. Und haben wahrscheinlich Kinder, für die der Entsorger unter dem Spülbecken eine Selbstverständlichkeit ist. Und was Müllhalden und Schuttplätze anbelangt, die hat man alle wieder ausgebaggert und ein für alle Mal verschwinden lassen. Radioaktiver Müll, einst ein unlösbares Problem – weg. Die abgebrannten Brennstäbe aus Kernkraftwerken, über die wir uns früher so viele Sorgen gemacht haben – aus der Welt geschafft. Die Erde ist so sauber wie noch nie.
     
    Ich fürchte, mehr als die dritte Flasche werde ich nicht schaffen. Immerhin, ein Montrachet aus der Domaine de la Romanée-Conti. Samtig, duftig, feinwürzig; ein hervorragender Jahrgang. Aber der Gedanke an all die Schätze, die ich über die Jahre hinweg in meinem Keller versammelt habe und die nun ihre Bestimmung nicht mehr finden sollen, schmerzt.
    Dreißig Jahre lang ist alles gut gegangen. Ich habe den Konzern geleitet, Konrad hat weiter geforscht, mit mehr Leuten, mehr Geld – viel mehr Geld –, aber so wenig Ergebnissen wie eh und je. Immerhin: Dass auch all die namhaften Kapazitäten, die Nobelpreisträger und so weiter vor unserem Feld kapitulieren mussten, war irgendwo beruhigend. Wir hatten uns zumindest nicht allzu blöd angestellt. Und wir verdienten schweinemäßig Geld. Wirklich. Die ganze Welt kaufte unsere Geräte wie süchtig, und unsere Profite waren geradezu obszön.
    Bis neulich die Beschwerden
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