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The Road of the Dead

The Road of the Dead

Titel: The Road of the Dead
Autoren: Kevin Brooks
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|9| Eins
    A ls der Tote Mann Rachel erwischte, saß ich hinten in einem Mercedes-Wrack und fragte mich, ob der Regen aufhören würde. Ich
wollte
nicht, dass er aufhörte. Ich fragte mich bloß.
    Es war spät, fast Mitternacht.
    Cole, mein Bruder, hatte den Mercedes erst vor ein paar Stunden auf den Schrottplatz gebracht und mich gebeten, ihn durchzusehen, während er loszog, um irgendwen wegen irgendwas zu treffen. Ich hatte eine Stunde zugebracht, alles durchzuchecken und zu schauen, ob es sich lohnte, den Wagen auseinanderzunehmen, dann hatte es angefangen zu regnen – und da war ich nach hinten gestiegen.
    Ich hätte mich sicher auch anderswo unterstellen können. Ich hätte Schutz in einem der alten Abstellschuppen suchen können, ich hätte zurück ins Haus gehen können, aber die Schuppen waren dunkel und voller Ratten, außerdem schüttete es so richtig heftig und das Haus lag genau auf der anderen Seite des Hofs   …
    Und und und.
    Ich mochte den Regen.
    Ich wollte nicht, dass er aufhörte.
    Ich mochte das Geräusch, mit dem er hart auf das Autodach |10| trommelte. Es gab mir das Gefühl, sicher und im Trockenen zu sein. Ich war gern nachts allein auf dem Autofriedhof. Es machte mich glücklich. Ich mochte, wie die Lichter in der Dunkelheit kristallweiß über der Toreinfahrt strahlten und alles besonders erscheinen ließen. Es gefiel mir, die Regentropfen für aufgefädelte Juwelen, die Haufen Schrottblech für Berge und Hügel und die übereinandergestapelten wankenden Schrottautos für Wachttürme zu halten.
    Ich war glücklich damit.
    Dann, als eine Windbö das Schild über der Toreinfahrt traf, es in seinen rostigen Ketten ächzen ließ und ich durch das gesplitterte Rückfenster schaute und die bekannten verblichenen Worte las: FORD & SÖHNE – AUTO-ERSATZTEILE: UNFALL-PKWS, VANS & LASTWAGEN, VERSICHERUNGS-TOTALSCHÄDEN UND FAHRZEUGE OHNE TÜV – ANKAUF GEGEN BARZAHLUNG, genau da spürte ich Rachel zum ersten Mal in meinem Innern.
     
    Ich weiß nicht, wie ich diese Empfindungen, die ich manchmal bekomme, beschreiben soll. Cole hat mich mal gefragt, wie das sei, alles zu wissen, was es zu wissen gibt, aber nichts über das Wie und Warum. Ich sagte, ich wüsste es nicht. Und das stimmte.
    Ich
weiß
es nicht.
    Was die Empfindungen betrifft, die ich manchmal habe, diesen Eindruck,
bei
oder
in
anderen Menschen zu sein – ich habe keine Ahnung, was da eigentlich abläuft, woher diese Empfindungen kommen und warum ich sie kriege. Ich weiß nicht mal, ob sie wahr sind oder nicht. Doch ich habe seit Langem aufgegeben, mir darüber Gedanken zu machen. Sie sind einfach da und weiter |11| lässt sich dazu nichts sagen.
    Ich habe sie nicht ständig und ich empfange sie auch nicht von jedem Menschen. Genau gesagt kommen sie außerhalb meiner Familie nur äußerst selten von jemandem. Am häufigsten empfange ich sie von Cole. Manchmal auch von Mum und ganz selten einmal von Dad, doch am stärksten sind die Empfindungen, wenn sie von meinem Bruder stammen.
    Mit meiner Schwester war es allerdings immer anders gewesen. Bis zu jener Nacht hatte ich von Rachel noch nie was gespürt. Absolut nichts. Nicht mal ein leichtes Flackern. Keine Ahnung, wieso. Vielleicht lag es ja daran, dass wir ohnehin immer viel miteinander gesprochen hatten, also
brauchten
wir nichts weiter. Oder vielleicht war es so, weil sie nun mal meine Schwester war. Was weiß ich. Ich hatte einfach bis dahin nie irgendwelche Empfindungen von ihr empfangen, gerade deshalb war es so merkwürdig, sie in jener Nacht plötzlich zu spüren – so merkwürdig und unheimlich   …
    So erschreckend.
     
    Plötzlich saß sie neben mir, hinten in dem Mercedes, und schaute sich auf dem Autofriedhof um, dann zerplatzte der Augenblick und ich war bei ihr, wir gingen auf einem sturmgepeitschten Weg mitten durch ein verlassenes Moor. Wir froren, waren durchnässt und müde, wir hatten Angst, die Welt war schwarz und leer und ich wusste nicht, wieso.
    Ich wusste überhaupt nichts.
    »Was machst du hier, Rachel?«, fragte ich sie. »Ich dachte, du wolltest heute Abend nach Hause kommen.«
    Sie antwortete nicht. Sie konnte mich nicht hören. Sie war Hunderte |12| Kilometer entfernt. Sie konnte mich nicht spüren. Das Einzige, was sie spürte, waren die Kälte, der Regen, der Wind und die Dunkelheit   …
    Und dann plötzlich spürte sie noch etwas anderes. Das Rasen des Bluts in ihrem Herzen. Eine lähmende Angst in ihren Knochen. Irgendetwas in ihrer Nähe. Da
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