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Collins, Suzanne

Collins, Suzanne

Titel: Collins, Suzanne
Autoren: Flammender Zorn (Die Tribute von Panem Bd 3)
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Morgen graute, waren die Bomber längst wieder verschwunden,
die Feuer erstarben, die letzten Nachzügler waren eingesammelt. Meine Mutter
und Prim hatten ein Krankenlager eingerichtet und versuchten, die Verletzten
mit dem zu behandeln, was sie im Wald fanden. Gale besaß zwei Ausrüstungen
mit Pfeil und Bogen, ein Jagdmesser sowie ein Fischernetz, und damit mussten er
und diejenigen, die kräftig genug waren, mehr als achthundert verschreckte
Menschen ernähren. Drei Tage hielten sie so durch. Dann tauchte plötzlich aus
heiterem Himmel ein Hovercraft auf und brachte sie nach Distrikt 13, wo es
zahllose saubere weiße Wohneinheiten, ausreichend Kleidung und drei Mahlzeiten
am Tag gab. Die Wohneinheiten hatten den Schönheitsfehler, dass sie
unterirdisch angelegt waren, die Kleidung war für alle gleich und das Essen
schmeckte praktisch nach nichts, doch die Flüchtlinge aus Distrikt 12 kümmerte
das alles nicht. Sie waren in Sicherheit. Jemand sorgte sich um sie. Sie waren
am Leben und wurden überschwänglich willkommen geheißen.
    Diese Begeisterung wurde allgemein als Freundlichkeit
interpretiert. Doch ein Mann namens Dalton, ein Flüchtling aus Distrikt 10,
der es ein paar Jahre zuvor zu Fuß nach 13 geschafft hatte, verriet mir das
wahre Motiv. »Sie brauchen uns. Dich, mich, uns alle. Vor einer Weile hatten
sie hier eine Pockenepidemie oder so, der viele zum Opfer gefallen sind, und
die meisten der Überlebenden wurden unfruchtbar. Neues Zuchtvieh, das sind wir
für sie.« Dalton hatte in seinem Heimatdistrikt auf einer Rinderfarm
gearbeitet und die genetische Vielfalt der Herde gesichert, indem er den Kühen
tiefgefrorene Embryonen einpflanzte. Ich vermute stark, er hat recht mit
Distrikt 13, denn Kinder sieht man dort so gut wie keine. Aber was soll's? Wir
leben ja nicht eingepfercht, wir werden angelernt, um zu arbeiten, die Kinder
gehen zur Schule. Die über Vierzehnjährigen wurden in die Armee aufgenommen und
werden respektvoll mit »Soldat« angesprochen. Jeder Flüchtling hat automatisch
die Staatsbürgerschaft von Distrikt 13 bekommen.
    Trotzdem, ich hasse sie. Aber inzwischen hasse ich ja fast
alle. Am meisten mich selbst.
    Der Boden unter meinen Füßen wird auf einmal hart und
unter dem Ascheteppich spüre ich die Pflastersteine des Platzes. Ringsum, wo
einst die Geschäfte standen, sieht man eine flache Begrenzung aus Trümmern. Ein
rußgeschwärzter Schutthaufen erhebt sich dort, wo einmal das Gerichtsgebäude
war. Ich gehe weiter zu der Stelle, wo die Bäckerei von Peetas Familie
gestanden haben muss. Es ist kaum mehr davon übrig als ein geschmolzener
Klumpen, da, wo früher der Ofen stand. Peetas Eltern, seine beiden älteren
Brüder - keiner von ihnen hat es nach 13 geschafft. Kaum ein Dutzend
derjenigen, die in Distrikt 12 einmal als die Wohlhabenden galten, sind dem
Feuer entkommen. Es wäre also sowieso nichts mehr da, wohin Peeta zurückkommen
könnte. Außer mir ...
    Ich gehe weiter und stoße gegen etwas, verliere das Gleichgewicht
und sitze plötzlich auf einem Metallbrocken, den die Sonne erwärmt hat. Ich
grübele, was es gewesen sein könnte, dann fällt mir ein, dass Thread den Platz
bei seinem Amtsantritt hat umgestalten lassen. Pfähle, Pranger und das hier,
die Galgen - oder was davon übrig geblieben ist. Schlecht. Ganz schlecht. Das
ruft wieder die Flut der Bilder hervor, die mich quälen, ob ich wach bin oder
schlafe. Peeta, der gefoltert wird - ertränkt, verbrannt, zerfleischt, mit
Stromstößen gequält, verstümmelt, geschlagen -, während das Kapitol versucht,
Informationen über die Rebellion aus ihm herauszuholen, die er gar nicht hat.
Ich mache die Augen ganz fest zu und versuche, ihn über die vielen Hundert
Meilen hinweg zu erreichen, ihm meine Gedanken zu übertragen, um ihm zu sagen,
dass er nicht allein ist. Aber er ist es. Und ich kann ihm nicht helfen.
    Schnell weg. Fort von dem Platz, an den einzigen Ort, den
das Feuer nicht zerstört hat. Ich gehe an der Ruine des Bürgermeisterhauses
vorbei, wo meine Freundin Madge einst lebte. Keine Nachricht über ihren
Verbleib oder den ihrer Familie. Wurden sie dank der Position ihres Vaters ins
Kapitol evakuiert oder hat man sie den Flammen überlassen? Aschewolken wirbeln
rings um mich auf und ich ziehe mir den Hemdkragen über den Mund. Es ist nicht
die Frage, was ich einatme, die mir die Kehle
zuschnürt, sondern wen.
    Der Rasen ist versengt, der graue Schnee ist auch hier gefallen,
doch die zwölf schönen Häuser
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