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Codex Mosel

Titel: Codex Mosel
Autoren: Mischa Martini
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wandte, wirkte er nervös. »Hilferufe im Dom!«
    »Wie bitte?«, fragte Monika.
    »Aus der Schatzkammer.«
    »Aber die ist doch auch geschlossen«, stellte Monika fest.
    »Da stecken mehr Werte drin als in allen Banktresoren der Stadt zusammen.« Harry stand auf und riss seine Jacke von der Stuhllehne.
     
    Walde beobachtete aus den Augenwinkeln, wie Grabbe sich mit der rechten Hand an den Türgriff klammerte und den ausgestreckten linken Arm und die nach vorn gedrückten Knie an die Rückenlehne des Vordersitzes presste. Vor jeder Kurve kniff er die Augen zusammen.
    »Muss die Kripo kommen, wenn irgendwo jemand um Hilfe ruft?«, presste Grabbe heraus.
    »Die Domschatzkammer ist nicht irgendwo, da sind Werte, mit denen die Stadt auf einen Schlag ihre ganzen Schulden bezahlen könnte«, entgegnete Harry. Fast drei Jahre waren es her, dass er sich bei einer versuchten Festnahme schwer am Bein verletzte und um ein Haar in Frühpension hätte gehen müssen. Gabi war als Vertretung von der Sitte in seine Abteilung gekommen und geblieben, als Harry nach zwei Jahren Pause wieder zurück kam. Sein noch leicht lädiertes Bein war Schuld, dass er vorhin den Wettlauf zum Auto verloren hatte.
    An der roten Verkehrsampel gegenüber der Porta Nigra wechselte Gabi nach links auf die freie Abbiegespur zur Paulinstraße, um von dort scharf nach rechts quer über die Kreuzung in die enge Rindertanzstraße zu schlittern. Für einen Moment nahm sie das Gas zurück und das Martinshorn gewann die Oberhand gegen den heulenden Motor. Ein eilig die Straße in Richtung Bahnhof querender Reisender blieb mit weit aufgerissenem Mund stehen und wurde fast von seinem nachdrängenden Rollkoffer vor den Kühler des plötzlich aus dem Nichts auftauchenden Autos geschoben.
    »Hey, sollen wir hier Wurzeln schlagen?«, maulte Harry vom Beifahrersitz. Er war offensichtlich sauer, weil Gabi ihm am Steuer zuvorgekommen war. Harry schien sich in keiner Weise von Gabis Fahrweise beeindrucken zu lassen. Ohne den Gurt angelegt zu haben und ohne die Straße eines Blickes zu würdigen, tippte er mit flinkem Daumen eine SMS in sein Handy.
    Rechts setzte ein weißer Lieferwagen rückwärts aus einer schmalen Hauseinfahrt. Während der hintere Teil des Kastens schon weit in die Straße ragte, konnte der Fahrer die Straße noch nicht einsehen.
    »Bleib stehen!«, rief Gabi.
    Der Wagen rollte weiter nach hinten. Gabi ging nicht vom Gas.
    »Das reicht nicht!«, brüllte Grabbe mit sich überschlagender Stimme.
    Bremslichter leuchteten auf, aber zu spät.
    Sie rasten auf die Lücke zu. Viel zu eng. Gabi fluchte. Walde hielt den Atem an, wartete auf den Knall. Bei Harry rastete der Sicherheitsgurt ein. Grabbe jammerte.
    Einen Moment lang blieb es still.
    »Das war knapp«, sagte Harry. »Alle Achtung! Woher wusstest du, dass der Lieferwagen im letzten Moment nach vorn fahren würde?«
    »Weibliche Intuition, mein Schatz.«
    Vor ihnen tauchten die Türme des Doms auf. Die Zufahrt zum Domparkplatz wurde von einer Reihe schmaler Stahlpfeiler blockiert. Gabi brachte den Wagen zum Stehen. »Hat jemand einen Schlüssel?«
    Harry sprang hinaus und legte mit wenigen Handgriffen zwei der Poller um.
    Wenige hundert Meter weiter stoppten sie vor dem Hauptportal des Doms, wo rund zwei Dutzend Leute versammelt waren. Als die vier aus dem Wagen stürmten, lösten sich zwei Geistliche winkend aus der Menge. Sie trugen grüne Schärpen über ihrer schwarzen Kleidung.
    »Bruder Placitus. Wir haben vorsorglich die Besucher aus dem Dom gebracht«, begrüßte sie einer der beiden Domsakristane.
    Vom anderen Ende des Platzes näherten sich zwei Polizeiwagen. Der Schall der Sirenen wurde von den Mauern ringsum vervielfältigt, als würde eine ganze Armada von Einsatzfahrzeugen anrücken.
     
    Hinter dem Eingang ließ Walde den Blick über das Mittelschiff zum Altar mit dem Chor darüber schweifen. Seine Aufmerksamkeit wurde von den flackernden Kerzen an den Seitenaltären angezogen. Nirgends war ein Mensch zu sehen. Neben ihm klickten die Sicherungshebel von Gabis und Harrys Waffen. Grabbe folgte mit den beiden Geistlichen.
    »Es kommt aus der Schatzkammer!«, sagte Bruder Placitus. »Ich wollte nicht aufschließen, wegen der Alarmanlage. Und wir wissen ja auch nicht, wer da drin ist.«
    »In Ordnung!« Walde eilte durch den breiten Gang des rechten Seitenschiffs. Gabi und Harry sicherten seine Flanken, während die beiden Geistlichen versuchten, mit Grabbe Schritt zu halten. Der Klang der
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