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Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab

Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab

Titel: Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab
Autoren: Matthew Skelton
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Frau. »Von der Akademie der Naturwissenschaften.«
    Der Mann sah auf.
    »Von der Akademie der Naturwissenschaften«, wiederholte sie. »Glauben Sie nur nicht, Mr Chalfont, dass meine Herkunft oder mein schwaches Geschlecht mich je an etwas hindern könnte.«
    »Dergleichen wäre mir nie eingefallen«, murmelte der Mann und wandte sich ab, sodass nur Pandora, die die Ohren spitzte, es hören konnte. Er fing an, nervös an seinem Spitzenjabot herumzufingern.
    »Dennoch, Madame Orrery«, fuhr er fort, »erbitten Sie leider das Unmögliche. Sie müssen wissen, dass wir hier im Heim stets bemüht sind, Jungen, wenn möglich, zu männlichen Meistern in die Lehre zu geben … und Cirrus« – jetzt warf er einen Blick auf eine der Seitentüren, als würde er selber gern fliehen – »Cirrus ist nicht wie andere Findelkinder. Er ist ein besonderer Fall. Seine Situation war … ist außergewöhnlich.«
    Mr Chalfont erstickte fast an seinen Worten, und sein knappes Lächeln geriet – wie sein Spitzenjabot – ein wenig außer Kontrolle.
    Madame Orrery sah den Mann eine Weile prüfend an, Misstrauen stand in ihrem gepuderten Gesicht. Dann verzog sie den Mund und hob langsam die von einem großen ovalen Ring dominierte Hand. Mit den Fingern strich sie über die flache, mondhelle Oberfläche des Schmuckstücks und förderte irgendwie einen winzigen Schlüssel zutage – offenbar aus einem Geheimfach unter dem Stein.
    »Ich kannte seinen Vater«, sagte sie, und ihre Worte zitterten in der Luft, bevor sie verklangen.
    Mr Chalfont wurde blass. »Ich verstehe«, sagte er, fuhr sich mit einem großen Taschentuch über die Stirn und sank in einen Lehnsessel. »Ich nehme nicht an, dass er … noch lebt?«
    Pandora beugte sich vor, wollte unbedingt mehr erfahren, aber die Frau wandte sich wortlos ab. Enttäuscht lehnte Pandora sich zurück. Wie die meisten Findelkinder wollte auch sie wissen, woher sie stammte, wer ihre Eltern gewesen waren, doch beim Klang von Madame Orrerys Stimme galt ihr ganzes Mitgefühl diesem Jungen namens Cirrus Flux. Obwohl sie ihm nie begegnet war – Mädchen und Jungen waren in strikt voneinander getrennten Teilen des Gebäudes untergebracht und sahen sich nur flüchtig in der Kapelle –, spürte sie den Drang, ihn vor dieser entsetzlichen Frau zu beschützen.
    Sie versenkte die Hand in ihrer Schürzentasche und tastete am Schlüsselbund vorbei nach einem Stückchen Stoff, das sie ständig bei sich trug: ein rosa Stofffetzen, auf dem nur ein Wort aufgestickt war: H-O-F-F-N-U-N-G. Es war das einzige Andenken an ihre Mutter, ein persönliches Erkennungszeichen, wie für jedes Findelkind im Arbeitszimmer des Heimvorstehers eines hinterlegt war. Sie hatte ihres gefunden und ohne Erlaubnis an sich genommen. Sie betrachtete den goldenen Schriftzug und versuchte, in seiner schlichten Botschaft Trost zu finden.
    Als sie schließlich wieder aufsah, wand sich Mr Chalfont unbehaglich in seinem Sessel. Die Frau hatte aus den Falten ihres Kleides ein zierliches Silberding zum Vorschein gebracht, das sie nun mit ihrem Schlüsselchen aufzog – betont langsam – und dabei das Gesicht des Mannes beobachtete. Eine Taschenuhr. Pandora konnte den Mechanismus surren und ticken hören.
    »Und dennoch, Madame Orrery …« Sie hörte, wie Mr Chalfont seine Ablehnung matt wiederholte. »Cirrus ist ein Sonderfall. Seine Situation ist außergewöhnlich.«
    Er stockte, zu kraftlos – oder zu niedergeschlagen –, um weiterzusprechen.
    Plötzlich klopfte es an der Tür, und beide fuhren herum.
    Madame Orrery ließ den Uhrendeckel zuschnappen und steckte die Uhr schnell in eine ihrer Taschen, der Vorsteher sah auf, verwirrt und mit schläfrigem Blick.
    »Ja?«, sagte er, als eine füllige Frau mittleren Alters hereinsah.
    »Verzeihung, Sir«, sagte die Frau mit einem angedeuteten Knicks. »Ein Herr möchte Sie sprechen. Er kommt wegen einem Kind.«
    »Gut, gut. Führen Sie ihn ins Besucherzimmer«, sagte Mr Chalfont. »Ich komme gleich zu ihm.«
    »Wie Sie wünschen, Sir«, sagte die Frau, wobei sie Madame Orrery mit einem misstrauischen Blick bedachte. »Ist auch alles in Ordnung, Sir? Sie sehen ein bisschen mitgenommen aus.«
    »Ja, ja, mir geht es gut«, sagte Mr Chalfont unter heftigem Blinzeln. »Nur ein Anflug meiner leidigen Gicht, fürchte ich.« Er lächelte. »Danke, Mrs Kickshaw. Das ist dann alles.«
    »Jawohl, Sir«, sagte Mrs Kickshaw, knickste noch einmal und schloss die Tür hinter sich.
    Madame Orrery blieb
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