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Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab

Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab

Titel: Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab
Autoren: Matthew Skelton
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in ihrer Hand und fing halbherzig an zu wischen, bis ihr Seufzen langsam verflog.
    Plötzlich näherten sich Schritte, die Tür wurde geöffnet. Instinktiv drückte Pandora sich zwischen die Falten des schweren, halb zugezogenen Vorhangs und machte sich unsichtbar. Sie hielt die Schlüssel in ihrer Schürzentasche fest zwischen den Fingern, damit sie nicht klapperten, und linste vorsichtig hinter der Vorhangkante hervor.
    Mr Chalfont, der Heimvorsteher, steckte den Kopf zur Tür herein. Der beleibte Herr mit der wollweißen Lockenperücke ließ seine Blicke durch das schwach beleuchtete Zimmer schweifen, und da er es irrtümlicherweise für leer hielt, trat er zur Seite und ließ die atemberaubendste Person eintreten, die Pandora je zu Gesicht bekommen hatte.
    Eine große elegante Frau, ganz in Silberblau gekleidet, kam herein. Bei jeder ihrer Bewegungen schienen tausend winzige Eisblumen auf ihrem Gewand zu glitzern und zu tanzen – zu gern hätte Pandora über den Stoff gestrichen, um zu spüren, ob ihre Finger vor Kälte schmerzen würden. Aber dann wurde ihre Verblüffung noch größer: Das tadellos frisierte Haar der Frau war nach einer komplizierten Anordnung in Ringeln und Löckchen gedreht, und zwar so, dass sie ganz von allein an Ort und Stelle blieben!
    Pandora wurde rot. Sie fasste in das stoppelige Gestrüpp auf ihrem Kopf, spürte den feuchten Putzlappen in ihrer Hand. Aber jetzt war der richtige Zeitpunkt vorbei, um mit dem Staubtuch wedelnd durch das Zimmer zu gehen und einen geschäftigen Eindruck zu machen. Sie konnte sich auch nicht mehr höflich entschuldigen und zurückziehen. Mr Chalfont würde sie gewiss verdächtigen, nichts Gutes im Schilde zu führen, vielleicht würde er vermuten, sie wolle ein heimliches Nickerchen machen, etwas stibitzen, oder schlimmer noch, sich vor ihrer Arbeit drücken … Dabei hatte sie nur einmal kurz aus dem Fenster geschaut und sich gewünscht, sie könnte woanders sein, irgendwo.
    Nun saß sie hier fest. In der Falle.
    Glücklicherweise schienen weder Mr Chalfont noch seine Besucherin den leise hin und her schwingenden Vorhang zu bemerken, genauso wenig wie das schnelle Atmen des Mädchens, das sich dahinter verbarg. Für Pandora gab es nur eines: in ihrem Versteck auszuharren.
    Sie raffte ihren Rock, kletterte leise auf den Fenstersitz hinter ihr, kniete sich auf das füllige Samtkissen und blinzelte durch den Vorhangspalt, neugierig, was nun geschehen würde.
    »Der Junge«, sagte die Frau, kaum dass Mr Chalfont die dunkle Holztür hinter ihr zugezogen hatte. Mit einem leisen Klicken fiel sie ins Schloss. »Ist er da?«
    »Cirrus Flux?«
    »Sie wissen sehr gut, von welchem Jungen ich spreche. Ich gehe davon aus, dass Sie meinen Brief erhalten haben.«
    Mr Chalfont trat ans Feuer, obwohl der Tag weder kalt noch feucht war – nur trüb und regnerisch. Die Glut in dem rußgeschwärzten Kamin war zusammengefallen, aber durch ein paar energische Bewegungen mit dem Messingschürhaken ließ sie sich neu entfachen. Schatten zuckten durch den Raum.
    Einen schrecklichen Moment lang fürchtete Pandora, der Heimvorsteher könnte die Vorhänge öffnen, um mehr Licht ins Zimmer zu lassen, doch er schien andere Dinge im Kopf zu haben. Drängendere.
    »Ich fürchte, meine verehrte Dame, dass wir Ihnen da nicht dienen können«, sagte er, wobei er einen Brief aus der Tasche seines Gehrocks zog und glatt strich. »Cirrus ist noch ein Kind, und zudem nicht das angenehmste.«
    Sein Blick wanderte zum Fenster, und Pandora in ihrem Versteck duckte sich. »Ich muss sogar zugeben, dass er in diesem Moment höchstwahrscheinlich draußen auf den Wiesen umherstreunt und Unfug treibt«, sagte er. »Wir haben in der Tat die größten Schwierigkeiten, ihn bei einem Meister unterzubringen.«
    »Exakt das ist der Grund, weshalb ich nach ihm frage«, sagte die Frau. Ihre Augen wurden schmal. »Um ihm eine Stelle anzubieten. Ein Gewerbe erlernen zu lassen.«
    Mr Chalfont sagte nichts. Stattdessen starrte er in den Kamin und ließ mit einem lässigen Fingerschnippen den Brief in die Flammen fallen. Das Papier loderte kurz auf, dann kringelte es sich zu einer purpurroten Faust zusammen. Unterdessen war die Frau zur anderen Seite des Zimmers gegangen, wo eine kunstvoll verzierte Tischuhr stand.
    »Sie wissen, wer ich bin, ja?«, sagte sie, wobei sie das Uhrengehäuse abhob und das Zifferblatt inspizierte.
    Mr Chalfont neigte den Kopf. »Gewiss doch, Mrs Orrery.«
    »Madame Orrery«, sagte die
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