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Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab

Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab

Titel: Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab
Autoren: Matthew Skelton
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jetzt leuchtete der Atem Gottes am Himmel. Madame Orrery hatte das Gesicht zum Fenster gewandt, trotzdem konnte Pandora nicht erkennen, ob sie wach war oder nicht.
    Lautlos wie ein Nachtfalter schlich sie näher, ängstlich darauf bedacht, nicht das leiseste Geräusch von sich zu geben.
    Dann erstarrte sie.
    Auf dem Kissen, dicht neben Madame Orrerys Kopf glänzte etwas. Es war die silberne Uhr, die leise in der Dunkelheit tickte. Schon der Anblick ließ Pandora erzittern, und sie hatte Angst, die Frau könnte sich plötzlich umdrehen und sie mit ihrem eisigen Blick hypnotisieren.
    Aber nein, Madame Orrery schlief. Tiefe Schatten lagen auf ihrem Gesicht, und unter ihren geschlossenen Lidern zuckte es schwach. Pandora war überrascht, wie alt und müde sie aussah.
    Und in diesem Moment sah sie das Stoffstück, das schlaff wie ein verwelktes Blütenblatt in Madame Orrerys Hand hing. Sie trat näher.
    Ein Fußbodenbrett knarrte, Pandora erschrak, und das Herz schlug ihr bis zum Hals. Ein kleiner Mann in langem weißen Nachthemd stand an der Tür, sein Mondgesicht von silbrig weißen Haarsträhnen gekrönt. Mr Sorrel!
    Einen Moment fürchtete sie, er werde Madame Orrery wecken, aber dann sah sie, dass sein Blick langsam von Pandoras Gesicht zu dem Stoffstück wanderte. Mit einer geschickten Bewegung zupfte er es der schlafenden Frau aus den Fingern, dann schob er Pandora in den Nebenraum und schloss die Tür hinter sich.
    »Ich hatte nicht damit gerechnet, dich noch einmal zu sehen, mein Kind«, sagte er so leise, dass sie es kaum hören konnte. Nachdenklich betrachtete er die Stickerei auf dem Stoff, dann gab er dem Mädchen sein Erkennungszeichen zurück.
    Pandora atmete erleichtert auf, als sie das Andenken an ihre Mutter wieder in der Hand hielt.
    »H-O-F-F-N-U-N-G«, sagte Mr Sorrel lächelnd. »Eine Eigenschaft, von der du meiner Meinung nach schon mehr als genug besitzt.«
    Pandora dachte an die silberne Uhr im Nebenzimmer und war versucht, noch einmal hineinzugehen und sie heimlich an sich zu nehmen, damit Madame Orrery nie wieder jemanden hypnotisieren könnte. Aber dann fiel ihr ein, dass Mr Sorrel ernsthaft zu glauben schien, es könne Menschen tatsächlich von quälenden Gedanken und Erinnerungen befreien.
    »Was werden Sie tun?«, fragte sie.
    Mr Sorrel schwieg eine Weile. »Ich werde weiterhin Madame Orrery dienen, wie ich es immer getan habe«, sagte er, stockte aber plötzlich und schien noch einmal zu überlegen. »Leider weiß ich nicht mehr viel von meiner Vergangenheit, Pandora, aber eines weiß ich sicher: Madame Orrery muss mich einmal aus einer aussichtslosen Lage gerettet haben, und dafür muss ich dankbar sein …«
    Wahrscheinlich hatte er Pandoras zweifelnde Miene gesehen, denn er sagte: »Und du, Pandora? Wohin wirst du jetzt gehen?«
    Plötzlich dachte Pandora an Cirrus und Mr Hardy, die draußen auf sie warteten, und ihre Stimmung hellte sich auf.
    »Ich? Ich werde über den Himmel segeln«, sagte sie lächelnd und ging, das Andenken ihrer Mutter fest in der Hand, zur Tür.
     

 

     

Dank
    Als ich mit der Arbeit an diesem Buch begann, wusste ich nicht sehr viel über das achtzehnte Jahrhundert, eine Zeit großer Forschungen, wissenschaftlicher Entdeckungen und philosophischer Diskussionen, die gemeinhin ›Zeitalter der Aufklärung‹ genannt wird. Ich möchte hier einige der vielen Bücher aufführen, die mir geholfen haben, ein Bild dieser Welt hervorzubringen.
    Richard D. Altick, Shows of London (1978), in dem sich eine Illustration von Mr Sidereals mechanischem Stuhl findet sowie eine Beschreibung des Holophusikons, dem Modell für Mr Leechcrafts Haus der Wunder.
    Emily Cockayne, Hubbub: Filth, Noise & Stench in England (2007), das Aussehen, Gerüche und Geräusche der Georgianischen Gesellschaft lebendig macht.
    Robert Darnton, Mesmerism and the End of the Enlightenment in France (1968), aus dem Madame Orrery ihre Kenntnisse hat.
    Patricia Fara, An Entertainment for Angels (2002), das die wirklich entsetzliche Behandlung von ›Schwebenden Jungen‹ anschaulich macht.
    Francis Grose, The Vulgar Tongue (1785), aus dem ich das Fluchen nach Art des achtzehnten Jahrhunderts gelernt habe.
    Richard Hamblyn The Invention of Clouds (2001), das mir die Augen über das merkwürdige, unangenehme Wetter des Jahres 1783 und die ersten Heißluftballons öffnete.
    Samuel Johnson, Dictionary (1755), aus dem ich die Information habe, dass ›Cirrus Flux‹ nicht nur ein
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