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Ciao Papa

Ciao Papa

Titel: Ciao Papa
Autoren: Juan Damonte
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hielt vor der Tür. Die Dicke schien nervös zu sein. Als ich hupte, erkannte sie mich und kam heraus.
    »Warte hier auf mich«, schrie ich ihr zu, »ich muss noch rasch den Wagen parken. Die Freunde mit dem Segelboot sind da! Bestell mir noch drei Sandwiches Spezial, zwei Kaffees und vier Cognacs! Bin gleich zurück …«
    Lucy lächelte und nickte.
    Ich machte mich auf den Weg zum Onkel. Bis zu seinem Haus waren es noch vierzig Minuten. Ich machte das Radio an und wartete auf die Nachrichten. Sie kamen so pünktlich wie der Tod durch den Dolchstoss. Eine Ampel vor dem Stadion von River stand auf Rot, und ich folgte mit dem Blick einer unglaublichen dunkelhaarigen Frau, die gerade mit leichtem, kurzem Schritt die Straße überquerte, ein Lächeln auf den Lippen, die Haare im Wind. Sehr eng anliegende Hose, hohe Absätze, afrikanische Arschbacken, eine Hüfte, die man mit einem Arm umfassen konnte, und hervorstehende Brüste, die dem realen Sozialismus Ehre gemacht hätten. Ich schaute ihr zu, wie sie mit gleichmäßiger Grazie Meter für Meter die achtzig Meter Avenida überquerte, um einen etwa fünfundzwanzigjährigen Trottel zu küssen, der wie ein Fatzke gekleidet war. Kein Vergleich allerdings zu einem anderen Fatzke unter der Wintersonne dieses verdammten Sonntags, der mir das Leben versaute. Ich wandte mich wieder den Nachrichten zu.
    »… zu einer wilden Schiesserei führte. Die Angreifer benutzten automatische Waffen ausländischer Herkunft, hochexplosiven Sprengstoff, Handgranaten sowie hausgemachte Brandsätze. Obwohl das Wachpersonal bei der Ausübung seiner Pflicht überrascht wurde, gelang es ihm, die subversiven Elemente zurückzuschlagen und von verschiedenen Ordnungskräften wie der Armee, der Bundespolizei und der Polizei der Provinz Buenos Aires zusätzliche Verstärkung anzufordern, die innerhalb weniger Minuten am Tatort eintraf. Die Angreifer zogen sich zurück und hinterließen zahlreiche Tote und Pamphlete von zweifelsfrei subversivem Charakter. Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt haben die Behörden keine Details zu den Vorfällen bekannt gegeben, aber an den Tatort entsandte Journalisten sprechen von einer großen Anzahl Toter und Verletzter. Wir werden sie in den 6-Uhr-Nachrichten über den weiteren Verlauf informieren. Und nun zu etwas ganz anderem: Der in Holland praktizierende argentinische Chirurg Lutero Van der Voolt wurde mit dem Preis …«
    Ich hörte nicht länger hin. Sie würden alle Einfallstraßen in die Hauptstadt absperren und in der ganzen Stadt jede Menge Kontrollen durchführen. Im ganzen Land. Meine Fahrzeugpapiere und mein Führerschein waren in Ordnung. Ich durchsuchte meine Taschen und das Handschuhfach. Da war keine Waffe, kein Umschlag, keine Adresse, kein Gras, kein Koks, nichts. Ich hoffte, dass der Dicke nicht noch eine Überraschung im Auto untergebracht hatte. Manchmal hatte er seinen Spaß daran, die alten Zeiten wieder aufleben zu lassen.
    Das Problem waren nicht allein die Straßenkontrollen. Sie benutzten solche Vorfälle, um die halbe Bevölkerung einzubuchten und aus ihr Informationen über alles herauszupressen, was sie interessierte. Die Polizei nahm aber nicht nur bei solchen Straßenrazzien Leute fest. Man musste sich stets vorsehen, durfte nachts nicht ausgehen, niemanden besuchen, sich von niemandem besuchen lassen, keine Telefonanrufe entgegennehmen. Wenn sie dich suchten, musstest du zu Hause sein, denn wenn sie dich nirgendwo finden konnten, nahmen sie an, du seist in irgendwas verwickelt, und dann sah es gar nicht mehr gut aus für dich. Andererseits … wer würde einen schon verstecken? Man fand nur Verstecke, die täglich ein Vermögen kosteten, und die gleichen Leute, die einen versteckten, lieferten einen aus, denn in diesen Dingen kannten die Bullen keine Gnade.
    Mein Handgelenk begann wieder zu zittern. Das war nicht der Moment, um an Koks zu denken, fehlte gerade noch, dass sie mich mit Drogen erwischten. Ich beschloss, mir ein paar Whiskys zu genehmigen. Ich parkte das Auto vor einem kleinen schmuddeligen Einkaufsladen. Bevor ich ausstieg, tröstete ich mich: »Tomassini«, sagte ich, »wie kommt es eigentlich, dass du so viel Glück hast? Soweit ist alles bestens gelaufen … noch zwei Monate, und die Sache ist geritzt. Und alles ist mit rechten Dingen zugegangen. Keine bewaffneten Überfälle, kein Raub, kein Diebstahl. Wie auf dem Tablett serviert … alles.«
    Ich musste an die Anti-Paranoia-Übung denken, die mir der Zähmer der
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