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Chroniken der Weltensucher - Die Frau aus den Wolken: eShort zur Reihe "Chroniken der Weltensucher"

Chroniken der Weltensucher - Die Frau aus den Wolken: eShort zur Reihe "Chroniken der Weltensucher"

Titel: Chroniken der Weltensucher - Die Frau aus den Wolken: eShort zur Reihe "Chroniken der Weltensucher"
Autoren: Thomas Thiemeyer
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mich?«
    Keine Reaktion. Ebenso gut hätte er zu einem Stein sprechen können.
    Gustafsson sah sich um. Überall auf dem Deck lagen verstreut Gegenstände herum. Kleine Krüge, manche von ihnen zerbrochen, Kelche und Urnen, die irgendwelche Kräuter und andere wohlriechende Substanzen enthielten, kunstvoll gewobene Tücher und so weiter. Indianische Opfergaben. Und dann war da noch etwas. Nicht weit entfernt, neben einer der Kisten, sah er einen Gegenstand, der sein Herz höher schlagen ließ. Eine kleine indianische Statue, die aus Metall gefertigt war. Gelblich schimmernd, war es so ziemlich das Schönste, was er sich vorstellen konnte. Als er sie aufhob, breitete sich ein breites Lächeln auf seinem Gesicht aus.
    Gold!
    Etwas weiter drüben sah er einen weiteren goldenen Gegenstand, einen Kelch. Und da drüben einen Teller.
    Aber natürlich . Gustafsson begriff langsam. Das Luftfahrzeug war nicht irgendein Schiff. Es war ein Totenschiff.
    Er hatte schon davon gehört. Manche Stämme beerdigten ihre Toten, indem sie sie in einem Boot einen Fluss hinuntertreiben ließen. Dieses hier fuhr zwar durch die Luft, aber im Prinzip war es das Gleiche. Gustafssons Herz schlug bis zum Hals. Das war sie: die Spur, nach der er so lange gesucht hatte. Der Weg nach Eldorado! Es konnte kaum ein Zweifel bestehen, schließlich passte alles zusammen: die indianische Herkunft, die hohe Kunstfertigkeit, das Gold. Er konnte seine Erregung kaum beherrschen. Im Geiste fing er schon an, Windrichtung, Geschwindigkeit und Fallwinkel in seine Navigationsberechnungen mit einzubeziehen. Wenn es ihm gelang, das Schiff wieder flottzumachen, könnte er es dazu benutzen, das gelobte Land zu finden. Er wäre mit einem Schlag reich und berühmt. Und selbst, wenn er es nicht fand, so hatte er immer noch das Schiff. Allein das war ja ein Vermögen wert.
    Das Einzige, was nicht ins Bild passte, war die Frau. Was hatte sie hier verloren? Sie war gewiss nicht indianischer Herkunft. Wenn er hätte raten müssen, wäre seine Wahl vielleicht auf England gefallen oder Deutschland. Vielleicht auch ein osteuropäisches Land, aber gewiss nicht Südamerika. Nun, sie würde es ihm bestimmt erzählen, wenn sie erst wieder auf den Beinen war. Vielleicht konnte sie ihn sogar mit Informationen zu Eldorado versorgen. Gewissermaßen war sie die einzige richtige Quelle, die er besaß. Sein oberstes Ziel musste also lauten, sie am Leben zu erhalten.
    Das Schiff verfügte am Heck über eine einfache Hebevorrichtung und einen Flaschenzug. Er untersuchte das Gerät und stellte fest, dass es sich um eine hölzerne Trommel mit Seil und Anker handelte. Ein Plan keimte in ihm auf. Vorsichtig hob er die Frau an und schleifte sie Richtung Heck. Sie war schwerer, als sie aussah. Wie konnte eine so zierliche Person ein solches Gewicht auf die Waage bringen? Vielleicht war sie sehr muskulös, ihre Arme fühlten sich jedenfalls an, als bestünden sie aus Eisen. Er ergriff den einfachen Holzrahmen mit geflochtenen Binsen, auf dem sie gelegen hatte, und befestigte ihn am Ankertau. Vier Seile, die oben zusammenliefen, sorgten dafür, dass die Bahre nicht seitlich wegkippen konnte. Nachdem er die Stabilität überprüft hatte, legte er die Frau darauf, zog sie ein Stück hoch und schwenkte den Kran über Bord. Vorsichtig an der hölzernen Trommel drehend, ließ er die Frau hinab. Zum Glück reichte das Tau und alles ging gut.
    Jappo kam sofort angerannt und beschnupperte sie. Er schien ihren Geruch nicht sehr zu mögen. Ein durchdringendes Knurren drang aus seiner Kehle.
    »Lass sie in Ruhe, Jappo«, rief Gustafsson von oben und wedelte mit der Hand. »Weg von ihr. Los, kusch!«
    Der Hund stieß ein abfälliges Husten aus und verzog sich. Jappo war noch nie besonders menschenfreundlich gewesen, aber dass er gleich so misstrauisch reagierte, das war ungewöhnlich. Nun, vielleicht lag es daran, dass er nicht wusste, ob die Frau tot oder lebendig war.
    Gustafsson steckte die Goldgegenstände in die Tasche, blickte sich noch einmal um und kletterte dann die Strickleiter hinunter.
    Es war Nachmittag, als er die Fremde mithilfe seines Maultiers ins Lager geschafft hatte. Noch immer hatte sie keinen Mucks von sich gegeben. Er hatte aber das Gefühl, dass ihr Körper bereits wärmer wurde. Sicherheitshalber legte er eine Decke über sie und zog die Bahre ein Stück in die Sonne. Ans Schürfen war im Moment nicht zu denken, weshalb er seine Sachen forträumte und seine heutige Ausbeute in ein
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