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Chroniken der Weltensucher - Die Frau aus den Wolken: eShort zur Reihe "Chroniken der Weltensucher"

Chroniken der Weltensucher - Die Frau aus den Wolken: eShort zur Reihe "Chroniken der Weltensucher"

Titel: Chroniken der Weltensucher - Die Frau aus den Wolken: eShort zur Reihe "Chroniken der Weltensucher"
Autoren: Thomas Thiemeyer
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und Humboldts Gesicht, als er von ihr Abschied nahm.
    Ich bin nicht tot, Geliebter, kannst du das nicht sehen? Ich bin hier. Ich spüre deine Berührungen, sehe deine Tränen, warum kannst du nicht erkennen, dass ich noch da bin?
    Dann war da ein Ruck und das Schiff erhob sich in den Himmel. Und sie sah nur noch Wolken. Wolken und die mächtigen Berge.
    Valkrys schlug die Augen auf.
    Über ihr rauschten die Blätter eines Baumes im Nachmittagswind. Es roch nach Feuer. Irgendwo schlug eine Bratpfanne gegen eine Suppenkelle. Sie zuckte hoch.
    Der Schmerz in ihrer Brust ließ sie laut aufschreien. Himmel, was war denn …? Sie sah an sich herab. Sie trug ein weißes Gewand, das über und über mit indianischen Symbolen besetzt war. Quer über ihre Taille wand sich ein Verband. Braun, fleckig und mit Blut verkrustet. Das Gewebe stank nach irgendwelchen Tinkturen. Medizin? Schwer zu sagen, doch wenn dem so war, schien sie geholfen zu haben. Die Verletzung war ernst, aber nicht lebensbedrohlich. Valkrys konnte das fühlen. Sie war schon zu oft verwundet worden, um nicht auf die Stimme ihres Körpers zu hören. Trotzdem sollte sie vorsichtig sein.
    Wieso war hier niemand? Das Lager sah bewohnt aus, aber im Moment war sie die Einzige hier. Ein Zelt, eine Feuerstelle, Kisten mit Proviant und ein Maultier. Mürrisch blickte es zu ihr herüber und kaute dabei auf einem Zweig.
    Sah aus wie das Lager eines Abenteurers. Sie erinnerte sich dunkel an ein Gesicht. Bärtig, wettergegerbt, tiefe Fältchen um die Augen.
    »Hallo?«
    Niemand antwortete. Sie versuchte es noch einmal, aber als immer noch keine Antwort kam, stand sie auf und tappte im Lager herum. Die ersten Schritte waren mühsam und schmerzhaft, doch mit jeder Minute kehrten ihre Kräfte zurück. Sie fand eine Wasserflasche, öffnete sie und ließ das kühle, belebende Nass in sich hineinlaufen. Als sie ihren Durst gelöscht hatte, war die Flasche leer. Dann aß sie etwas, löste den Verband und wusch sich. Die Wunde hatte eine merkwürdige sichelartige Form. So wie der erste Mond. Sie erinnerte sich an die krumme Schneide der Schere und erschauerte. Das Gift mochte ihren Körper verlassen haben, die Erinnerung blieb. Da sie ihr Gewand mehr als unpassend fand, bediente sie sich bei den Sachen, die in einer der Kisten lagen. Ein einfaches Hemd, dreiviertellange Hosen, die sie mit einem Ledergürtel fixierte, Wollsocken und Schuhe. Die Schuhe musste sie vorne mit einem zweiten Paar Socken ausstopfen, damit sie passten. Dann sah sie sich nach ihrer Waffe um. Ihr Daitō war nirgends zu finden. Möglich, dass es immer noch an Bord des Schiffes war. Gewehre oder Pistolen schien es hier auch keine zu geben. In Ermangelung einer Alternative nahm sie die Suppenkelle und hängte sie in den Gürtel.
    In diesem Moment hörte sie ein klopfendes Geräusch. Es kam von recht weit her, war aber deutlich zu vernehmen. Drei Schläge, eine kurze Pause, dann weitere Schläge. Kein Zweifel: Jemand arbeitete dort. Vermutlich ihr Gastgeber.
    Valkrys zog das Hemd glatt, fuhr sich mit den Fingern durch die Haare und hob das Kinn. Zeit, dem Mann einen Besuch abzustatten.
    Sie kam nur langsam voran. Die Nachmittagssonne stach heiß vom Himmel und ihre Kräfte kehrten nur zögerlich zurück. Offenbar hatte sie ihren Heilungsprozess doch etwas überschätzt. Sicher würde es Tage dauern, bis sie vollständig genesen war. Aber sie lebte, und das war die Hauptsache. Wer immer sie da in den Schatten des Baumes gelegt hatte, er hatte ihr das Leben gerettet. Ohne seine Hilfe wäre sie vermutlich verdurstet. Schon der Gedanke daran ließ ihre Kehle wieder trocken werden. Sie griff nach der frisch gefüllten Flasche und nahm einen weiteren Schluck.
    Während sie dem halb ausgetrockneten Flussbett folgte und dabei immer wieder herabgespülten Felsbrocken und Baumstämmen auswich, tauchte plötzlich eine enorme Form vor ihr auf. Zwischen zwei Felstürmen eingeklemmt, hing ein riesiger Sack mit einer Gondel darunter. Die Gondel war mit Seilen befestigt und ähnelte einem Boot mit Seitenauslegern. Halt, nein, dachte sie, das sind Ruder. Steuerruder. Es war ein Schiff, ein …
    Sie blieb wie angewurzelt stehen. Plötzlich fiel ihr alles wieder ein. Die Bilder fielen wie Mosaiksteinchen an ihren Platz zurück. Yupan, die Stadt in den Wolken, der Kampf gegen die Königin, das Luftschiff, Humboldt .
    Sie war gestorben, das zumindest hatten die Bewohner von Xi’mal geglaubt, und ihr ein Begräbnis spendiert, wie
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