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Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Titel: Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel
Autoren: Anne Rice
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jemand, der Ihnen etwas zu sagen hat. Wenn Sie das hier also lesen, tun Sie es aus folgenden Gründen:
    weil Lestat zu Ihnen spricht, weil er Angst hat, weil er verzweifelt nach dem Sinn des Daseins sucht, weil er verstehen möchte, was er erlebt hat, und möchte, daß Sie es verstehen - und weil es die beste Geschichte ist, die er je zu erzählen hatte.
    Wenn Ihnen das alles nicht reicht, lesen Sie lieber etwas anderes.
    Habe ich Ihre Neugier geweckt, lesen Sie weiter. In Ketten gelegt, habe ich diese Worte meinem Freund zur Niederschrift diktiert. Folgen Sie mir nun. Hören Sie mir einfach zu. Lassen Sie mich nicht allein.

Kapitel 1
    I ch sah ihn sofort, als er durch die Tür kam. Groß, aufrecht, Haare und Augen dunkelbraun, auch die Haut immer noch genauso dunkel wie damals, als ich ihn zu einem Vampir machte. Er bewegte sich etwas zu schnell, aber im ganzen ging er doch für ein menschliches Wesen durch. Mein geliebter David.
    Ich stand auf der Treppe - dem herrschaftlichen Treppenaufgang, könnte man auch sagen, denn dies war eines der alten Hotels, üppig und göttlich überladen mit Karmesinrot und Gold und sehr angenehm. Mein Opfer, das sich hier mit seiner Tochter zum Essen verabredet hatte, hatte es ausgesucht, nicht ich. Und ich hatte in den Gedanken meines Opfers gelesen, daß er sich in New York immer hier mit seiner Tochter traf, schlicht und einfach deswegen, weil auf der gegenüberliegenden Straßenseite St. Patrick’s Cathedral lag.
    David entdeckte mich sogleich - den lässig dastehenden blonden Jüngling, Gesicht und Hände bronzefarben, die übliche dunkelviolette Sonnenbrille vor den Augen, das Haar ausnahmsweise ordentlich gekämmt, die Figur betont durch einen dunkelblauen Zweireiher von Brooks Brothers.
    Ehe er sich noch zurückhalten konnte, stahl sich ein Lächeln auf Davids Gesicht. Er wußte, wie eitel ich bin, und er wußte wohl auch, daß zu Anfang der Neunziger in diesem 20. Jahrhundert die Läden überschwemmt wurden mit italienischer Mode, die formlos und bauschig an einem herabhing. Deshalb war eines der erotischsten Kleidungsstücke, das ein Mann sich überhaupt aussuchen konnte, so ein perfekt geschnittener Anzug von Brooks Brothers.
    Nebenbei gesagt, ist die Kombination edler Anzug und langhaariger Wuschelkopf immer faszinierend. Wer wüßte das besser als ich?
    Also, ich will mich jetzt nicht in Kleiderfragen verbeißen. Zum Teufel mit Kleidung! Ich war einfach nur so stolz auf dieses Bild, das ich bot - so schick aufgemacht, so voller grandioser Gegensätze: die langen Locken, dieser makellos geschnittene Anzug, in königlichlässiger Haltung ans Geländer gelehnt.
    David kam sofort auf mich zu. Er roch nach tiefstem Winter; denn draußen lag der Schnee als grauer Matsch auf den Bürgersteigen, und die Leute rutschten auf den überfrorenen Straßen aus.
    Davids Gesicht schimmerte in diesem feinen übernatürlichen Glanz, den nur ich wahrnehmen und genügend würdigen konnte, um dessentwillen ich ihn liebte und hätte küssen mögen.
    Wir gingen zusammen durch die mit Teppich ausgelegte Halle. Eigentlich haßte ich es, daß er ein Stück größer war als ich, aber im Moment war ich zu froh, ihn zu sehen und ihm nah zu sein. Schön warm war es hier, dämmrig, weitläufig, einer dieser Orte, wo man nicht angestarrt wurde.
    »Du bist also gekommen«, sagte ich, »ich hatte nicht damit gerechnet.«
    »Aber natürlich«, antwortete er tadelnd; sein leicht britischer Akzent in Verbindung mit diesem jugendlichen braungebrannten Gesicht versetzte mir den üblichen Schock. Das hier war ein alter Mann im Körper eines jungen Mannes, den ich vor noch nicht allzu langer Zeit zu einem Vampir gemacht hatte, und zwar zu einem ausgesprochen starken und mächtigen.
    »Was hast du denn geglaubt?« fragte er. »Armand hat mir gesagt, daß du nach mir rufst. Maharet auch.«
    »Ah, das beantwortet meine erste Frage.« Ich hätte ihn wirklich gerne geküßt; plötzlich streckte ich die Arme aus, versuchsweise, zögernd, so daß er sich noch zurückziehen konnte. Aber als er sich umarmen ließ und ich die Wärme spürte, die er mir entgegenbrachte, wurde mir bewußt, daß ich seit Monaten nicht mehr so glücklich gewesen war.
    Ich glaube, so hatte ich mich nicht mehr gefühlt, seit ich ihn und Louis verlassen hatte. Wir drei waren in irgendeinem namenlosen kleinen Dschungelkaff gewesen, als wir übereingekommen waren, uns zu trennen. Das war jetzt ein Jahr her.
    »Deine erste Frage?« David starrte
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