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Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel

Titel: Chronik der Vampire 05 - Memnoch der Teufel
Autoren: Anne Rice
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ist, beschloß er, einfach im Gespräch fortzufahren, höflich wie immer.
    »Keiner hat versucht, mir etwas anzutun«, betonte er noch einmal in dieser reizenden britischen Art. »Keiner hat in Frage gestellt, daß du mich zu einem der Euren gemacht hast. Alle waren respektvoll und freundlich zu mir, obwohl sie natürlich aus erster Hand alle Einzelheiten über den Körperdieb erfahren wollten und wie du es geschafft hast, das zu überleben. Ich glaube, du bist dir gar nicht bewußt, wie sehr du sie aufgeschreckt hast und wie sehr sie dich lieben.«
    Das war ein netter kleiner Hinweis auf mein letztes Abenteuer, das uns beide zusammengebracht und mich dazu getrieben hatte, ihn zu einem von uns zu machen. Zu dem Zeitpunkt hatte er nicht gerade in den höchsten Tönen von mir geschwärmt.
    »So, sie lieben mich?« Damit meinte ich die letzten unserer Art.
    »Sie haben auf jeden Fall nicht versucht, mir zu helfen.« Dabei dachte ich an den Angriff des inzwischen überwältigten Körperdiebs. Ohne Davids Hilfe hätte ich diesen Kampf vielleicht nicht gewonnen. Etwas Gräßlicheres konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen. Und ganz bestimmt wollte ich nicht an all die ach so brillanten und übersinnlich begabten vampirischen Mitstreiter denken, die tatenlos von fern zugeschaut hatten.
    Der Körperdieb war zur Hölle gefahren, der Körper, um den es gegangen war, saß mir gegenüber, und Davids Seele war fest darin verankert.
    »Na fein, schön zu hören, daß sie ein wenig besorgt waren«, sagte ich. »Aber die Sache ist die: Etwas ist hinter mir her, und diesmal ist es kein intrigierender Sterblicher, der die Tricks geistiger Projektion benutzt, um dadurch anderer Leute Körper in Besitz zu nehmen. Verstehst du: Ich werde verfolgt. «
    Er schaute mich nachdenklich an, nicht ungläubig, eher auf der Suche nach einer logischen Schlußfolgerung aus dem Gesagten.
    »Verfolgt«, wiederholte er bedächtig.
    »Ganz bestimmt«, nickte ich. »David, ich habe Angst. Wenn ich dir meine Meinung über dieses Etwas sagte, diesen Verfolger, du würdest lachen.«
    »Meinst du?«
    Ich genoß den heißen Dampf der Getränke, die der Kellner inzwischen vor uns abgesetzt hatte. Es war köstlich, die Wärme zu spüren. Vom Klavier tönte immer noch ganz sanft Satie herüber. Das Leben war fast lebensweit, sogar für ein Scheusal von einem Monster, wie ich es bin.
    Mir fiel etwas ein. In ebendieser Bar hatte ich mein Opfer vor zwei Nächten zu seiner Tochter sagen hören: »Weißt du, für Orte wie diesen hier habe ich meine Seele verkauft.« Obwohl mehrere Meter entfernt, außerhalb der Hörweite Sterblicher, hatte ich doch jedes Wort verstanden.
    Seine Tochter faszinierte mich. Dora, so hieß sie. Dora.
    Dieser merkwürdige, für mich so mächtig verlockende Mann liebte wirklich nur ein Wesen, seine Tochter, sein einziges Kind.
    Mir wurde bewußt, daß David mich beobachtete.
    »Ich dachte nur gerade an den Mann, hinter dem ich her bin. An ihn und seine Tochter. Sie werden heute nacht nicht mehr ausgehen; wegen des Schnees und weil der Wind so kalt ist. Er wird mit ihr nach oben in ihre Suite gehen, mit Blick auf die Türme von St. Patrick. Weißt du, ich möchte mein Opfer in meiner Nähe wissen.«
    »Gütiger Himmel, hast du dich in zwei Sterbliche verliebt?«
    »Nein, keineswegs. Es ist nur eine neue Art zu jagen. Der Mann ist wirklich einzigartig, wirklich eine Sammlung ausgefallener Charakterzüge. Anbetungswürdig! Als ich ihn das erste Mal sah, wollte ich ihn auf der Stelle aussaugen, aber er bringt mich immer wieder aufs neue zum Staunen. Jetzt bin ich ihm schon seit einem halben Jahr auf den Fersen.«
    Ich richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf sie. Ja, es war so, wie ich angenommen hatte: Sie gingen nach oben. Gerade hatten sie das Restaurant verlassen. Selbst Dora fand das Wetter zu scheußlich, obwohl sie eigentlich vorgehabt hatte, drüben in der Kirche für ihren Vater zu beten. Sie hatte ihn sogar bitten wollen, mit ihr zusammen zu beten. Zwischen ihnen sprangen bruchstückhafte Erinnerungen hin und her. Dora war noch ein kleines Mädchen gewesen, als ihr Vater sie zum ersten Mal in diese Kathedrale mitgenommen hatte. Er selbst glaubte an gar nichts. Sie - Theodora - war so etwas wie die Anführerin einer Sekte. Sie predigte im Fernsehen, erzählte den Leuten, daß man feststehende Werte brauche als Nahrung für die Seele. Und ihr Vater? Na ja, ich würde ihn töten, ehe ich noch mehr über ihn erfuhr, sonst würde es
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